Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Hermann-Josef Venetz Ein neuer Anfang ist möglich … nicht nur zur Weihnachtszeit

„Alle Jahre wieder“ bietet der Markt vielerlei Büchlein, die im Geschenkbandformat die Krippenidylle evozieren. Diesem Trend schließt sich der Freiburger Neutestamentler Hermann-Josef Venetz bewusst nicht an. Auch er schreibt über Texte aus der Liturgie der Advents- und Weihnachtszeit – über die Kindheitsgeschichte Jesu ebenso wie über Texte weniger prominenter Herkunft. Doch ist er darauf bedacht, sie aus der „emotionalen Umklammerung“ der Advents- und Weihnachtszeit zu befreien und ihr viel größeres theologisches Potential von ganzjähriger Aktualität zu erschließen. 

Seine Interpretationen beruhen auf der hermeneutischen Grundannahme, dass man biblische Texte – gerade wenn sie besonders glatt und harmonisch wirken – gegen den Strich lesen muss. Will heißen: Der Intention ihrer Verfasser kommt man dann besonders nahe, wenn man danach fragt, welchen Positionen sie widersprechen wollen. Und so gewinnt er den prophetischen Verheißungen eines Micha oder Jesaja ebenso frische Facetten ab wie den synoptischen Kindheitsevangelien, dem Johannesprolog oder einigen Briefpassagen aus den frühen christlichen Gemeinden.

Bei seinen Beiträgen handelt es sich um eine Zusammenstellung aus Radiopredigten, Artikeln, Ideen aus Bildungsveranstaltungen, Texten aus einer älteren Veröffentlichung sowie Inspirationen aus Alltagsbegegnungen. Diese heterogene Herkunft, manchmal auch die Zeitgebundenheit angesichts einer schon länger zurückliegenden Entstehungssituation, ist den Ausführungen bisweilen anzumerken. Gleichbleibend aber ist der engagierte, ehrliche, neben allem exegetischen Knowhow im Hintergrund auch bewusst subjektiv-persönliche Zugang zu den biblischen Texten. Venetz lässt die biblischen Bilder und Träume zusammenfließen mit den Bildern und Träumen heutiger Menschen – und spricht davon, die Fäden der biblischen Hoffnung seien weiterzuspinnen. Die geäußerte Gesellschafts- und Kirchenkritik wird dabei geerdet durch die gleichermaßen vorhandene Bereitschaft zur Selbsthinterfragung. Christlicher Glaube erscheint immer suchend und fragend.

Durch alle Gedanken hindurch scheint immer wieder die große theologische Botschaft von der Inkarnation. Gott, so schreibt Venetz, ist konkret – oder er ist überhaupt nicht. Weihnachten wird so zu einem Fest der Neuschöpfung mitten hinein in unsere brüchige Existenz: Gott hat in Jesus Christus, dem „Immanuel“ („Gott-mit-uns“), einen neuen Anfang gesetzt.

topos taschenbuch
Kevelaer: Verlagsgemeinschaft topos plus. 2016
139 Seiten
9,95 €
ISBN 978-3-8367-1070-1

 

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