Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Horst Klaus Berg: Gottes Wort braucht keinen Vormund

Wege zur selbstständigen Auslegung der Bibel

Berg legt ein Handbuch vor, das „eigensinnigen“ (11) Bibelleserinnen und Bibellesern Methoden zur Hand geben will, um selbstständig biblische Texte aufzuschließen und als Kraftquelle für Glaube und Leben nutzbar zu machen. Er gliedert sein Handbuch in zwei Teile; der erste ist eine ausführliche Hinführung zu den Auslegungskonzepten, die im zweiten Teil vorgestellt und an Gen 3 durchgespielt werden. In der Hinführung erläutert Berg die grundsätzliche Hermeneutik, mit der man biblischen Texten begegnen sollte, und stellt verschiedene Barrieren vor, die sich dem/der selbstständigen Bibelleser/in in den Weg stellen. Dabei setzt er sich durchgehend und sehr kritisch mit Luthers Rechtfertigungslehre auseinander, die er grundlegend kritisiert.

Die Rechtfertigungslehre basiert laut Berg auf einer falschen Auslegung von Gen 3. Er möchte stattdessen 1 Joh 4 „Gott ist die Liebe“ als Mitte der Schrift ansehen und interpretiert Gen 3 im zweiten Teil des Buches aus dieser Perspektive. Dazu erarbeitet er sechs Grundbescheide als Brennpunkte christlichen Glaubens, die ihm im zweiten Teil als Orientierung bei der Auslegung dienen. In der Hinführung folgt eine Sortierung verschiedener Methoden nach vier Wegen der Überlieferung, die Berg in der Gegenwart ausmacht. Auffallend ist dabei sein unhinterfragter Primat der historisch-kritischen Bibelauslegung, ohne kanonische Auslegungskonzepte auch nur zu erwähnen.

Berg vergleicht seine Auslegungshermeneutik mit der evangelischer Freikirchen, die katholische Auslegungstradition kommt kaum in den Blick. Neben der Rechtfertigungslehre kritisiert Berg durchgehend die „Theologie für die Gemeinde“, was dem Buch – entgegen des in der Einleitung erhobenen Anspruchs – ein klar evangelisches Gepräge gibt.

Im zweiten Teil stellt Berg verschiedene Methoden der Bibelauslegung vor und führt sie jeweils an Gen 3 durch. Die Methoden eignen sich unterschiedlich gut für die selbstständige Arbeit in der Gemeinde. Beispielsweise ist die jüdische Exegese mit Sicherheit hoch spannend, aber logischerweise keine selbstständig durchführbare Methode. Die tiefenpsychologische und die existentiale Auslegung überraschen in diesem Buch ebenso, da diese Methoden viel Hintergrundwissen voraussetzen, wo hingegen doch der Anspruch des Buches sein will, zur selbstständigen Bibelauslegung anzuleiten – ohne speziell dafür ausgebildet zu sein.

Als Zielgruppe hat Berg mehr oder minder freie Gruppen in der (evangelischen) Gemeinde im Blick und nicht den Religionsunterricht. Viele Methoden sind eher im katechetischen, weniger im schulischen Bereich anwendbar. Jedoch ist das Kapitel zur interaktionalen Auslegung mit einer Vielzahl von Untermethoden versehen, die auf 13 Seiten durchaus praktisches Potential für den Religionsunterricht haben. Auf der theoretischen Ebene ist die evangelische Binnenperspektive des Buches für katholische Bibelausleger durchaus spannend, unabhängig davon, ob man mit der Methodenauswahl zufrieden ist. Die linguistische Methode könnte auch für Deutschlehrer/innen interessant sein, weil sie den biblischen Text wie ein Theaterstück behandelt, was in verschiedene Richtungen Anknüpfungen eröffnet.

 Ostfildern: Matthias Grünewald Verlag. 2017
Stuttgart: Calwer Verlag. 2017
216 Seiten
19,95 €
ISBN 978-3-7867-31252 (Grünewald) / 978-3-7668-4424-8 (Calwer)

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