Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Hubert Wolf: Verdammtes Licht

Ein typischer Hubert Wolf! Locker und flockig zu lesen, mit vielen steilen Thesen, doch immer quellengesättigt. Wer jedoch eine Darstellung des Katholizismus in der Zeit der Aufklärung zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert erwartet, dürfte enttäuscht werden. „Aufklärung“ versteht Hubert Wolf als einen durchgängigen Prozess, den der Katholizismus seit der Zeit der historischen Aufklärung immer wieder durchlaufen musste und muss. So sind in dem vorliegenden Sammelband bereits veröffentlichte Aufsätze des Münsteraner Kirchenhistorikers zusammengetragen, die unter dem Stichwort „Aufklärung“ den Weg des Katholizismus im 19. und 20. Jahrhundert nachzeichnen. Wolf kommt es darauf an, alternative Wege aufzuzeigen, die möglich gewesen wären, aber nicht gegangen wurden bzw. zu irgendeinem Zeitpunkt der Geschichte (vorläufig) geschlossen wurden. Die katholische Kirche ist nicht unfähig zu Reformen, sollte dafür aber stärker in die eigene Geschichte hineinschauen und dort etwa Beispiele finden für eine stärkere Beteiligung von Laien an der Regierung der Kirche, für eine intensivere Ermächtigung von Frauen oder für eine historisch verantwortete Neubewertung früherer Konzilien, etwa des Tridentinums.

Der Autor kennt sich in den vatikanischen Quellen sehr gut aus, besonders in den Archiven der Indexkongregation und der Glaubenskongregation, die er seit Jahren mit seinen Forschungsteams auswertet. Für das 20. Jahrhundert stützt sich Wolf besonders auf die von seinem Team edierten Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis, den er als „politischen Kleriker“ charakterisiert, sowie die Akten zum Pontifikat Pius‘ XI. In einem ausführlichen Artikel zur Verurteilung von Nationalsozialismus und Rassismus in den Jahren zwischen 1934 und 1938 nimmt Wolf Ergebnisse der Studie von David Kertzer „Der erste Stellvertreter“ (Darmstadt 2014) vorweg.

Wolfs historische Methode ist die der mühsamen Archivarbeit. Aus ihnen schöpft er seine Themen. „Quellen verpflichten“ – das ist auch sein Plädoyer, wenn es etwa um die Alternative Priesterseminar oder Universität geht. Mit dem Rekurs auf die Quellen lassen sich auch Kontroversen wie die um ein angebliches Junktim zwischen Reichskonkordat und Selbstauflösung der Zentrumspartei entscheiden.

So steht am Ende des Sammelbandes eine Warnung vor wechselnden „Turns“ in den Geschichtswissenschaften. Das Licht der Aufklärung müsse vor Historikern geschützt werden, die durch Thesen und Interpretationen die Fakten in das zweite Glied rücken möchten. Fazit: Viele spannende Einsichten, doch wer ein Buch über die Aufklärung erwartet, wird nicht auf seine Kosten kommen.

Der Katholizismus und die Aufklärung
München: C.H. Beck Verlag. 2019
314 Seiten
29,95 €
ISBN 978-3-406-74107-4

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