Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Jürgen Werbick: Gott – menschlich

Um „heute von der Glaubensbedeutung Jesu Christi zu sprechen“ (23), hat der emeritierte Münsteraner Fundamentaltheologe Jürgen Werbick eine elementare Christologie vorgelegt. Auf der Grundlage des biblischen Zeugnisses will der Verfasser verstehen, was dort über Jesus Christus gesagt wird und was es heute lebenden Menschen sagt. Die elementare Christologie versucht daher, das „im Christus-Zeugnis des Neuen Testaments überlieferte Gottes-Zeugnis Jesu von Nazaret als das Selbst-Zeugnis eines Gottes verstehbar [zu] mach[en], der den Menschen zu ihrem Heil nahekommen und sie für seinen guten Willen gewinnen will“ (33). Dementsprechend müsse trotz all der damit zusammenhängenden Probleme das biblische Zeugnis für heutige Menschen übersetzt werden. Die von Werbick sogenannte „hohe Christologie“, wie sie auf den Konzilien der Alten Kirche entwickelt worden ist, soll dabei als Lesehilfe des Zeugnisses der Bibel dienen.

Nach der Einführung, in der der Verfasser die genannten hermeneutischen Wegweiser gibt, bieten die Kapitel 2 bis 7 eine theologische Reflexion des Lebensweges Jesu. Werbick setzt bei der Empfängnis Jesu vom Heiligen Geist an (Kap. 2), behandelt in Kap. 3 und 4 Jesu Weg und seine Lehre von der Gottesherrschaft und reflektiert in Kap. 5 die Bedeutung der Tora für das Wirken Jesu. Einen deutlichen Schwerpunkt bilden die Kap. 6 und 7, in denen die Bedeutung von Tod und Auferstehung analysiert und darstellt werden. Das Buch schließt in Kap. 8 mit kritischen Reflexionen über die Entwicklung der altkirchlichen Christologie und endet in Kap. 9 mit trinitätstheologischen Reflexionen, die sich aus dem Studium des biblischen Zeugnisses ergeben.

Einen thematischen Schwerpunkt dieses Buches bildet die soteriologische Relevanz des biblischen Christuszeugnisses. Das entspricht der Intention des Verfassers, die heutige Bedeutung Jesu Christi als „Bezugsperson unseres Glaubens“ (11, Hervorhebung im Original) herauszuarbeiten. Werbick ersetzt dabei eine „moralisch-juridische Logik des Bezahlenmüssens“ (176), nach der ein unschuldiger Stellvertreter an Stelle der sündigen Menschen deren Strafe ertrage, damit diese von ihren Sünden befreit werden (202), durch eine „Logik der Gabe“, die sich an der Überfülle orientiert. In dieser Perspektive erscheint der Kreuzestod Jesu Christi nicht als das notwendige Opfer, um Gottes Zorn gegen die Menschen zu stillen – diese Vorstellung wirke in Hinblick auf die Soteriologie nämlich äußerst befremdlich (200) –, sondern wird „zum wirksamen Versöhnungszeichen“, von dem Gottes Bereitschaft zum Frieden ausgeht. Schon im Alten Testament sei Sühne nämlich nicht als menschliche Besänftigung Gottes, sondern als Kommen Gottes zu denjenigen, die das Opfer darbringen, verstanden worden. Somit gelten die Opfernden als die bei Gott zu Gast Seienden, die sich in seine heilvolle Gegenwart einbeziehen dürfen. Dieses Modell überträgt Werbick auf den Tod Christi am Kreuz. Christus trete am Kreuz an die Stelle der von Gott Verfluchten, „um sie zurückzuholen; um ihnen an diesem Ort Gott heilsam zu vergegenwärtigen“ (183). So geschehe das auf Erden Größtmögliche, nämlich das „zu allem entschlossene Mit-den-Menschen-sein-Wollen Gottes“ (207), das sich eben in Jesus von Nazaret ereignet habe. Der Verfasser bestimmt den Inhalt von Gottes Willen, die Menschen in die Gemeinschaft mit sich aufzunehmen, als den Grund des Heils. Der Heilige Geist, der in Jesus Christus Gottes Gegenwart bewirkt, teilt den Glaubenden Gottes Leben mit, damit auch sie wirksam mit Gott verbunden sind und so in der Gegenwart von Gottes Herrschaft leben können (221f).

Werbick gelingt es, auf der Grundlage des biblischen Zeugnisses vor dem Erfahrungshintergrund der Gegenwart die Relevanz des Christusereignisses herauszuarbeiten, gerade durch seinen Ansatz bei der Logik der Gabe und Überfülle Gottes. Wenn die Lektüre auch nicht immer einfach ist, so lohnt sich diese Mühe allzumal, da dieser Entwurf kritische Anfragen an die Christologie und Soteriologie mit einer Antwort verbindet, die die Tiefen des biblischen Zeugnisses gleichermaßen im Blick hat, nämlich Gottes Liebe, die Menschen unbedingt würdigt und die von keiner Macht überwunden werden kann.

 

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