Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Julia Knop / Magnus Lerch / Bernd J. Claret (Hg.): Die Wahrheit ist Person

Leser sind Austernfischer. Sie durchwühlen schwarzen Wörter-Schlick nach harten Bedeutungen, brechen manches auf und finden nur selten Sinn. Und freuen sich, selbst wenn die Perle nur aus einem kleinen Artikel, nicht einmal einem Originalartikel besteht. Das ist der Fall von „Gestorben für unsere Sünden – Stellvertretung ohne Sühnetod?“ von Hansjürgen Verweyen, eine Serie von klaren Fragen und überzeugenden Antworten der historischen, spirituellen und dogmatischen Art. Es geht um die Frage, ob Jesu freiwillig ertragene Hinrichtung geschuldete Ersatzleistung für das Versagen der Menschen war. Das Antworten geschieht differenziert: Zuerst wird an Texten gezeigt, dass dieses Ersatz-Modell tatsächlich vorhandene Probleme löste, dann wird gezeigt, welche weitertragende Geschichte der Interpretationen (Noah, Hosea) diese Problemlösung umgibt, um am Ende ein für uns tragendes Modell zu zeigen: „Gott zwang den von ihm erwählten Sohn gleichsam, seine Sendung zu den Menschen für den letzten Augenblick seines Lebens zu vergessen, um ihn in den noch unausgeloteten Abgrund der göttlichen Liebe zu stürzen.“ So knapp gesagt mag die Aussage banal erscheinen: Wir würden durch Jesu Tod auf den Weg der Liebe gestellt, das sei des Todes Ziel und seine Größe… Aber lesen Sie besser selber.

Zentrales Thema ist die christologische Wendung der trinitarischen Aussagen. Insgesamt will freilich nicht recht klar werden, was es mit der „christologisch gewendeten“ Dogmatik auf sich hat. Jede Trinitätslehre ist christologisch, pneumatisch und väterlich; wobei der Ausgangspunkt der Vater ist: totus deitatis principium pater est (Augustinus, de trinitate V, XX, 29) ja: pater fons et origo totius divinitatis (Toledo). Das schließt keineswegs christologische Sichtweisen aus.

Sicher, es gibt auch eine christozentrische Dogmatik; die hat ihre Ruhmesstunden etwa bei Karl Barth oder Martin Luther. Der Gedanke ist zumindest literar-historisch zutreffend: Alle Trinitätslehre stammt aus Reflexion des Christusereignisses. Und die perichoretische Beziehungsdynamik schließt natürlich nicht aus, dass sich das Schema von christologischer Initiative und deren trinitarischen Folgen isolieren lässt. Aber die Geschichte der Religion besagt: Im Anfang war Gott. Und die Geschichte unserer Religion besagt: Der Gott Jesu war nicht „seine Erfindung“, sondern Gott/Jahwe.

Karl-Heinz Menke selber hat sein Anliegen auf den Titel reduziert: Jesus ist Gott der Sohn. Das hört sich gut an, ist aber weder biblisch (Menschensohn) noch patristisch (eines Wesens) – was nicht heißen muss, es sei falsch. Was es aber ist – und da hat Georg Essen recht: eine Vermischung von Aussagen aus den zwei unterschiedlichen Kontexten Christologie und Trinität. Ich vermute: für Steckerspiele sind Symbola schlecht zu gebrauchen.

Um ein Autorenbashing zu verhindern, hat Klaus von Stosch gleich selbst eine Analyse der auslösenden Sensibilitäten vorgelegt, wie: hypertropher Sakramentenbegriff, zwanghafte Abgrenzungen von Reformation und ganz besonders von der pluralistischen Religionstheorie, schließlich: latenter Tritheismus. Noch sensibler und höflicher lässt sich das nicht sagen. Essen ist da schon deutlicher. Die Lehre von der Dreifaltigkeit, zuerst einmal losgelöst gesehen vom Nachdenken über Jesus, den Christus (als Sohn, Wort, Fleisch), wird dargestellt als Schlachtfeld mit immer mehr, immer neuen, nicht historisch, sondern systematisch bedachten Wörtern. Beispiele? „Weil der Mensch Jesus der Sohn Gottes in Person ist, ist die göttliche Person selbst, die Mensch geworden ist, nach Art eines selbstbewussten Subjektes zu konzipieren.“ „Daran hängt die Möglichkeit, die Inkarnation als ein offenbarendes Handeln Gottes, genauer: als die Sendung des präexistenten Gottessohnes zu verstehen.“

Der Philipperhymnus bearbeitet gleichermaßen das Verhältnis von Gott und Sohn. Spannend wäre jetzt ein Vergleich; doch erarbeitet Thomas Marschler eine gelehrte Darstellung der Kenosis-Christologien besonders des 19. Jahrhunderts. Bedauerlich, dass deren Schlussfolgerungen dadurch abgewertet werden, dass Theorien aus den letzten hundert Jahren, gar Gegenwartsfragen eine klamme Randexistenz führen. Es folgen konsequente Darstellungen zur Sakramentalitätslehre Menkes und verstreute Fundstücke.

Jedenfalls wird in diesem Buch eine neuere, analytische Fragehaltung in der Trinitätslehre verstärkt. Wer sich schon an Walter Kasper oder Gisbert Greshake zum Thema die Zähne abgewetzt hat, den wird diese schweißtreibende, hoch verkomplizierte Lektüre je nach Temperament sanft anregen oder schwarzärgern.

 

Regensburg: Friedrich Pustet Verlag. 2015

440 Seiten

34,95 €

ISBN 978-3-7917-2664-9

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