Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Klaus Dorn: Paulus

Klaus Dorn hat nach Einführungswerken in das Alte und Neue Testament und einem Buch über Jesus Christus nun eines über Paulus vorgelegt. Auch hier geht es ihm um eine auf das Wesentliche konzentrierte und vor allem verständliche Darstellung in einfacher Sprache. Wie die Widmung des Buches verrät, denkt er über die Hochschule hinaus an einen Leserkreis, der „mit Paulus nicht viel anfangen“ kann. Den 30 Kapiteln stellt er statt Überschriften jeweils eine Frage voran, die ihn als versierten Didaktiker zeigen. Davon zeugt sein Einfall, das Resümee in die Form eines Interviews mit Paulus zu bringen.

Die Intention, Leben und Werk des Apostels in die heutige Sprach- und Denkwelt zu übersetzen, ist aber nicht immer geglückt. So sieht Dorn in Paulus nach den heutigen politischen Verhältnissen einen „jüdische(n) Türke(n)“, selbst wenn es, wie er selbst einräumt, „in Kleinasien noch kein Turk-Stämme“ gegeben habe (17). Und etwas später wird Paulus wegen seiner Gesetzestreue unkommentiert als „ein ‚Taliban‘, im wörtlichen Sinne, nämlich ein Schüler“ (18) charakterisiert. Wiederholt fallen sprachliche und sachliche Fehler auf: z.B. die Lernhilfe für die echten Paulusbriefe: „Römische Korinthen Galt En Phil bei den kolossalen Thessalonichern“ (12, Kol gehört nicht dazu und Phlm fehlt), „dringende (statt „drängende“) Naherwartung“ (14) oder Benjamin als „König“ seines Stammes (17). Weiter bietet der Verfasser oft lange Quellenzitate, aber ohne angemessene Kommentierung. So bringt es wenig, die Frage, ob Paulus selbst einen Eindruck von seinem Berufungserlebnis vermittelte, mit einer Wiedergabe von 2 Kor 12,2–10 zu beantworten, aber als Erläuterung nur eine Graphik des alttestamentlichen Weltbildes mit kurzem Kommentar abzudrucken (35f). Auch die ausführlichen Quellenzitate zur ersten Missionsreise (zum Tode Agrippa I. und des Judas, 49-51) sind hinsichtlich ihrer Bedeutung für das Thema fragwürdig, ebenso die Ausführungen zur Frage nach Geschwistern Jesu, so interessant sie auch sein mögen (51). Gut aufbereitet sind der Apostelkonvent, der antiochenische Zwischenfall und ihre Verbindung mit der Rechtfertigungsfrage, auch wenn manche Vereinfachungen zu schlucken sind (55-73). Unter den Briefen rückt verständlicherweise der 1. Korintherbrief in den Vordergrund. Die hier auftretenden Konflikte bieten gute Beispiele für Paulus als Seelsorger und Theologe sowie seine Gemeinden.

Dass Dorn stets um Gegenwartsbezüge bemüht ist und ökumenische Aspekte miteinbringt, zeigt u.a. der Abschnitt zum Herrenmahl in Kor 11: „Wieso bereitet die Eucharistiefeier in Korinth Probleme und was geht das uns an?“ (115) Neben einer Synopse der paulinischen und der drei synoptischen Überlieferungen bietet er den Text des zweiten Hochgebets der katholischen Messfeier mit einer anschließenden Auflistung der aus den biblischen Zeugnissen entnommenen Elemente (117). In seinen kurzen Erläuterungen zum Gewicht der Quellen hält er richtig fest, dass die Forderung ad fontes zwar abschlägig beschieden werden müsse, aber der paulinische Umgang mit den sozialen Spannungen zwischen Armen und Reichen beim Herrnmahl in Korinth normativ für die heutige Eucharistiefeier sein könne (119).

Vernachlässigt wird vom Verfasser indes die paulinische Christologie. Obschon immer wieder gestreift, hätte sie ein eigenes Kapitel verdient gehabt. Er zitiert zwar den Philipperhymnus (sogar zweimal), unverständlicherweise aber unter der Fragestellung, ob Paulus Jesus gekannt habe. Zum christologischen Gewicht dieses bedeutenden Hymnus erfährt man nichts. Anders als Paulus scheint Dorn weniger am Kyrios als am Menschen Jesus gelegen. Bemerkenswert ist schließlich, dass er als katholischer Exeget die Mystik des Paulus gegenüber der Rechtfertigungsfrage ganz vernachlässigt. Entsprechend wenig erfährt man im Interview über Paulus‘ Christusbeziehung. Allerdings steht auch die Kreuzestheologie des Apostels nur am Rand des Interesses.

Im Ganzen ist das Buch daher trotz mancher guter Passagen nur bedingt als universitäres Einleitungswerk geeignet. Für Interessierte ohne jedes biblische und theologische Vorwissen mag es aber ein ansprechender Einstieg für die erste Pauluslektüre sein.

Geschichte – Überlieferung – Glaube
utb 5107
Paderborn: Ferdinand Schöningh Verlag. 2019
182 Seiten m. s-w Abb.
19,99 €
ISBN 978-3-8252-5107-9

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