Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Ludwig Feuerbach: Das Wesen der Religion

Wenn man den in der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig erschienenen Text Ludwig Feuerbachs über „Das Wesen der Religion“ aufschlägt, ist man doch sehr gespannt, wie dieser atheistische Philosoph in einer Buchreihe positioniert wird, die „Große Texte der Christenheit“ vorstellen will. Feuerbach belegt immerhin nach fünf Bänden mit Texten von Luther, Bonhoeffer, Barth, Tillich und Lessing „Platz 6“ dieser offenbar protestantischen Größen gewidmeten Hitliste. Man erwartet Aufklärung vom Vorwort und von der ausführlichen Kommentierung des Herausgebers Georg Neugebauer. Der verweist mit seinem Vorwort aber nur kurz darauf, dass Feuerbach sich auf Luther und Schleiermacher berufe und seine Religionsforschung „unverkennbar auf Grundbegriffen und -motiven der protestantischen Theologie“ aufbaue, die „er freilich den eigenen Theorieinteressen entsprechend“ modelliere. Im Klartext müsste man hier richtiger sagen, dass er sie nicht nur „modellieren“, sondern radikal dekonstruieren will. Wie dem auch sei und was auch immer die Motive waren, Feuerbach mit einer solchen gedanklichen Volte in eine Reihe großer christlicher Texte aufzunehmen, die Auseinandersetzung mit dem bekannten Religionskritiker des 19. Jahrhunderts kann auch heute noch fruchtbar sein.

Es ist das übliche reduktionistische Muster des Naturalismus, dem Feuerbach folgt. Nach seinem Hauptwerk „Das Wesen des Christentums“ ist Religion nichts anderes als die Projektion der vom Menschen in sich selbst gefundenen und ihn bestimmenden Wesenszüge auf einen rein vorgestellten Gott. Dieses „Nichts anderes als“ wird nun in diesem Text formelhaft wiederholt auf das Verhältnis des Menschen zur Natur angewandt. In den Naturreligionen vergöttliche der Mensch die Natur, vor der er sich klein und abhängig fühlt. Gott ist ihm auf dieser Stufe der Religionsgeschichte „nichts anderes, als die Natur selbst“. Die darauf folgenden monotheistischen Religionen seien entstanden, weil der nun die Natur unterwerfende Mensch sich einen Gott einbilde, der wie er die Natur beherrscht, ja sogar erschafft. Wieder greift damit die reduktionistische Formel und der theistische Schöpfergott ist für Feuerbach „daher nichts weiter, als die zur Ursache der Welt erhobene, personificirte Einbildungskraft des Menschen.“

aum für eine kritische Auseinandersetzung mit Feuerbachs Thesen wäre nach Anlage des Bandes gegeben, denn auf den rund 85 Seiten umfassenden Text Feuerbachs folgen im selben Umfang die Erläuterungen des Herausgebers. Sie tragen sehr zum besseren Verständnis des Textes bei, indem sie dessen Argumentationslinien gut strukturiert darstellen und ausführlich verdeutlichen, was Feuerbach mit seinem recht sprunghaften Text meint, der offenbar rasch und flüchtig aus Manuskripten zusammengestellt wurde. Feuerbach hat selbst salopp dazu angemerkt, dass es ihm „zu langweilig“ war, sie „im ganzen Umfange für den Druck herzurichten“. Eine kritische Auseinandersetzung mit den sehr sorgfältig vom Herausgeber erläuterten Thesen Feuerbachs findet jedoch nicht statt. Das ist bedauerlich und nicht recht nachvollziehbar für einen protestantischen Verlag, fordert doch heute wieder die Neurophilosophie mit dem naturalistischen „Nichts anderes als“ den Glauben heraus. Dabei muss sie erkennen, dass diese Formel an der Eigenwirklichkeit von Geist bzw. Bewusstsein scheitert, weil es eben doch etwas fundamental anderes ist als Materie.

Statt also diese kritische Auseinandersetzung zu führen, wird in Feuerbachs Religionsphilosophie eine Möglichkeit des Brückenschlags zwischen Religion und Naturalismus gesucht als eine „gleichsam vermittlungstheologische Position“. Religion und Naturalismus seien keine Gegensätze mehr, wenn man Religion im Sinne Feuerbachs als „das Gefühl der existenziellen Abhängigkeit des Menschen von der Natur“ definiere. Das blendet allerdings aus, dass alles, was den metaphysischen Rang des Göttlichen ausmacht, für Feuerbach Fiktion ist, reine Einbildung des Menschen. Bliebe von Religion allein das Gefühl, den gesetzmäßigen Wirkkräften der Natur ausgeliefert zu sein, wäre sie nur noch das besorgte Bewusstsein unserer allerdings offenkundigen Verletzlichkeit als leibliche Wesen, also keine Religion mehr. Dem könnte der Naturalismus zweifellos zustimmen. Feuerbachs Ziel, den Glauben an Gott als Aberglauben zu denunzieren, wäre damit erreicht.

Wer sich also mit Feuerbachs Religionskritik eingehender befassen möchte, erhält mit diesem Band eine nützliche Verständnishilfe, deren problematische Aspekte muss er sich allerdings selbst erarbeiten.

Herausgegeben und kommentiert von Georg Neugebauer
Große Texte der Christenheit 6
Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt. 2019
191 Seiten
12,00 €
ISBN 978-3-374-05814-3

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