Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Maja Dammann / Ute Caspar / Katja Frerks / Christina Kaltenschnee / Maik Zaborowski: Mittleres Management an Schulen

Gilt es nicht gerade in den Schulen, wichtigere Herausforderungen zu meistern als die Einführung eines Mittleren Managements? Ja und Nein. Der Autorinnengruppe des vorliegenden Buches gelingt es, eine neue Perspektive auf die Chancen der Einführung eines Mittleren Managements zu eröffnen. Sie beschreiben, wie durch eine breitere Verteilung von Aufgaben und eine Fokussierung Einzelner auf bestimmte Aufträge Entlastung und Freiraum für Schulleitungen entstehen. Diese kann sich wieder mehr dem System Schule als Ganzem widmen und konzeptionell denken und agieren, die aktuellen Herausforderungen meistern, statt sich im Arbeitsalltag zu verlieren. Lehrkräfte im Mittleren Management werden in dem Buch nicht als Schulleitungsmitglieder gesehen, sondern als Lehrkräfte mit besonderen Aufgaben im System Schule. Die Verfasser verstehen ihr Buch als erste grundlegende Veröffentlichung zu dieser Interpretation des Mittleren Managements an Schulen.

Mit Hilfe einer fiktiven Wolfgang-Goethe-Schule wird man an die Problemsituationen im Schulalltag geführt, die man als Schulleitung oder als Schulleitungsmitglied kennt, und daran entfaltet sich, welches Potential die Einführung eines Mittleren Managements in der Schule bietet. Dabei wird deutlich, dass im Vorfeld gut überlegt sein muss, ob für die individuelle Schulkultur, -größe und -tradition ein Mittleres Management passend erscheint. Damit dieses strukturierte Herangehen und Arbeiten in neuen Kontexten gelingt, bietet das Buch zehn Arbeitshilfen, die unterstützen, das im Buch Beschriebene auf die eigene Situation hin zu verstehen und umzusetzen.

Im ersten Kapitel wird die Perspektive auf die Person der Schulleitung gelenkt, ihre Möglichkeiten zu führen und das eigene Führungshandeln zu reflektieren. Dabei ist die Etablierung eines Mittleren Managements im Fokus. Dieses erfordert ein reflektiertes Führen der Schulleitung, eine Kooperationsbereitschaft, echtes Delegieren und ein gemeinsames Handeln mit den mit Verantwortung Betrauten. Langfristig führe dies, nach dem Einführungsaufwand, zu einer Entlastung der Schulleitung, die sich wiederum mehr den strategischen Zielen und Aufgaben zuwenden könne.

Das zweite Kapitel widmet sich den vorhandenen Talenten und Charismen im Kollegium. Wie kann es gelingen, Lehrkräfte zu entwickeln und zwar so, dass sich die individuellen Vorstellungen mit den Bedarfen der Schule decken? Ein funktionierendes Talentmanagement und das Bewusstsein für eine Karriere im Schuldienst sind wichtige Grundlagen. Anhand von Praxisbeispielen aus Hamburger Schulen wird das Beschriebene nachvollziehbar dargestellt.

Das System Schule ist von seinen Rahmenbedingungen, seiner Vielfalt und Komplexität schon sehr speziell. Ausgehend von einem nach Ruth Seliger und Stefan Kühl formulierten Organisationsverständnis werden im dritten Kapitel Möglichkeiten der Organisationsentwicklung in Schule betrachtet. Wie verändern sich Hierarchien und Strukturen durch ein neu etabliertes Mittleres Management und wodurch können Prozesse schneller und flexibler werden? Zahlreiche Anregungen und Tipps bietet dieses Kapitel, um aus der systemischen Perspektive der Schulleitung eine Entwicklung der Organisation Schule voranzutreiben.

Schulleitungen haben selten direkten Einfluss auf die Qualität des Lehrens und Lernens an der eigenen Schule. Im vierten Kapitel werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie es mithilfe des Mittleren Managements gelingen kann, dennoch die Unterrichtsentwicklung an der Schule voranzutreiben. Hierbei sind vor allem die Fachleitungen (Bezeichnung in Hessen Fachsprecher) im Blick. Weitere Themen sind das Zusammenwirken der Steuergruppe mit Projektgruppen, der Kontext Fördern und Fordern sowie Evaluation und Feedback.

Das fünfte Kapitel schließlich nimmt die Rahmenbedingungen zur Einführung und Etablierung genauer in den Blick, die schon anfangs erwähnt wurden: vom rechtlichen Rahmen, über die Analyse der eigenen Schulsituation bis zu möglichen ersten Schritten. An einem kleinen Exkurs zum Thema Corona kommt aktuell kein Buch vorbei, das sich mit dem Thema Bildung beschäftigt. So folgt auch hier ein kurzer Blick auf das Agieren eines Mittleren Managements in pandemischen Zeiten zur Entlastung der Schulleitung.

Nach der Lektüre des Buches wirkt Verschiedenes nach: Die beschriebenen Möglichkeiten und Chancen eines Mittleren Managements klingen fast paradiesisch. Die idealtypischen Schilderungen der fiktiven Wolfgang-Goethe-Schule verunsichern, ob das wirklich an der eigenen Schule mit dem Kollegium umzusetzen ist. Nicht zuletzt die Arbeitshilfen machen Mut, diesen Entwicklungsschritt an der eigenen Schule anzugehen. Wenn diese drei Erkenntnisse zusammentreffen, kann es durchaus gelingen, die eigene Schule als Organisation mit Hilfe eines Mittleren Managements auf allen Ebenen gezielt weiterzuentwickeln und so die Zufriedenheit aller Beteiligten zu steigern.

Schule zukunftsorientiert denken. Führung neu gestalten
Stuttgart: Raabe Verlag. 2021
248 Seiten m. s-w Abb.
34,90 €
ISBN 978-3-8183-0817-9

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