Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Mariano Delgado: Das zarte Pfeifen des Hirten

Sie wird ein „geistiges Weltkulturerbe“ genannt und zu jenen Gestalten der Kirchengeschichte gezählt, die eine besondere „Ehre für das Menschengeschlecht“ darstellen: Teresa von Ávila (1515-1582). Mariano Delgado, Professor für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte an der Universität Fribourg (Schweiz) und exzellenter Kenner der spanischen Mystik, hat nun ein beachtenswertes Buch über die große Heilige und erste der bislang vier Kirchenlehrerinnen vorgelegt.

Seit nunmehr 500 Jahren fasziniert und inspiriert Teresa von Ávila Menschen in- und außerhalb des christlichen Glaubens. Vor allem das ihr zugeschrieben Gebet „Nada te turbe“ (Nichts soll dich ängstigen) ist zu einem weltumfassenden Trost- und Herzensgebet geworden. Doch nicht nur das. Für Delgado ist es der Schlüssel, um Teresa und ihre Schriften zu verstehen. In der letzten Zeile, dem „Solo Dios basta“ (Gott allein genügt), offenbare sich die Quintessenz ihrer mystischen Erfahrung: „Gott, der bei uns Wohnung genommen hat, zieht nicht aus, er meint es ernst mit uns, er ist treu und verlässlich, wer auf ihn baut, wird nicht enttäuscht werden, denn er wird uns mehr geben, als wir verdienen. … In den Phasen der Trockenheit sollten wir uns in Demut und Geduld üben, entschlossen bleiben und das Ziel unseres Lebens, die göttliche Berufung, nicht aus den Augen verlieren: Nur Gott allein genügt“ (147).

Spannend und anschaulich entfaltet Delgado die geistigen und gesellschaftlichen Zusammenhänge im 16. Jahrhundert, in die er Teresas außergewöhnlichen Weg einordnet. „Klug und prophylaktisch“, so habe sich Teresa den Rahmenbedingungen ihrer Zeit unterworfen und zugleich äußerst selbstbewusst die „Kunst der Verstellung in frommer Absicht“ praktiziert. „Teresa wusste, dass im mystischen Erkenntnisvorgang Erfahren, Verstehen und Beschreiben zusammenhängen, und zeigt dabei nicht nur eine begnadete Sprachbegabung, sondern auch einen scharfen analytischen Verstand, verbunden mit der Entschlossenheit, sich gewisse Grundprinzipien ihrer Erfahrung nicht ausreden zu lassen.“ (67)

Ausführlich beleuchtet und kommentiert Delgado Teresas Hauptwerk „Wohnungen der inneren Burg“ und stellt exemplarisch Besonderheiten ihrer spontanen Sprache und erfrischenden Metaphorik heraus, die mit praktischer Klugheit und großer Seelenkenntnis einhergehen. Der inneren Sammlung, dem sanften Nach-Innen-gezogen-Werden, gehe, so Teresa, immer das „zarte Pfeifen des Hirten“ voraus, denn Gott suche den Menschen bedingungslos und in allen Facetten seines Daseins. „Das käme uns teuer zu stehen“, ergänzt sie ermutigend, „wenn wir Gott erst suchen könnten, sobald wir der Welt abgestorben wären! Das war weder Magdalena noch die Samariterin noch die kanaanäische Frau, als sie zum ihm fanden.“ (156)

Wie aktuell Teresas Weg in die „innere Burg“ auch heute noch ist, zeigt Delgado anhand zeitgenössischer Texte und lehramtlicher Verlautbarungen von Papst Franziskus auf: „All dies ist ganz teresianisch, denn spiritueller Narzissmus, Mondänität und klerikaler Karrierismus gehörten auch damals zu den Krankheiten, die Teresa in der Kirche ihrer Zeit vorfand.“ (225)

„Das zarte Pfeifen des Hirten“ ist ein spannendes und flüssig zu lesendes Buch, das nicht nur historisches und biographisches Wissen bietet. Angesichts der Fülle von Originalzitaten und einer leicht verständlichen Kommentierung eignet es sich ebenso als meditatives Lesebuch für private Exerzitien im Alltag. Empfehlenswert für alle, die Teresa von Ávila (neu) entdecken wollen.

Der mystische Weg der Teresa von Ávila
Kevelaer: Verlagsgemeinschaft topos plus. 2017
256 Seiten
12,95 €
ISBN 978-3-8367-1074-9

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