Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Markus Tomberg (Hg.): Alle wichtigen Bücher handeln von Gott

Religiöse Spuren in aktueller Kinder- und Jugendliteratur

Handeln wirklich alle wichtigen Bücher von Gott, wie es der Titel des von Markus Tomberg herausgegebenen Bandes suggeriert? Der Herausgeber zitiert die programmatische Antwort des Vaters aus Guus Kujers Buch „Das Buch von allen Dingen“ auf die Frage des Sohnes nach dem Wesen des Buches. Oder stimmt eher der Untertitel, dass man auf theologischer und literaturwissenschaftlicher Seite vorsichtig „religiöse Spuren in aktueller Kinder- und Jugendliteratur“ sucht? 

Zumindest sind zahlreiche in der aktuellen Kinder- und Jugendliteratur vorfindliche Themen ein religionspädagogisch hochinteressantes Forschungsgebiet und finden auch im Unterricht Verwendung. Tombergs Zusammenstellung enthält hierzu vier Beiträge, die auf Vorlesungen im Rahmen des Kontaktstudiums im SS 2015 an der Theologischen Fakultät der Universität Fulda zurückgehen. Als „Altvater“ der Fragestellung gibt Georg Langenhorst eröffnend einen Überblick über Religion als Thema in der aktuellen Kinder- und Jugendliteratur, indem er seit ca. 2005 erschienene Werke bestimmten Stoffen und Themen – wie z.B. Ausgestaltungen von biblischen Erzählungen, Engel, Tod und Sterben, Liebe und Schuld – zugeordnet, um dann konkreter auf Publikationen zum Thema Weltreligionen (deutsch-jüdische, deutsch-muslimische, fernöstliche Religionen) als Einübung in Alterität und Differenz einzugehen. Durch die Literatur soll „die Pluralität der Religionen greifbar und verständlich“ (21) gemacht werden, indem diese Vielfalt narrativ in den Alltag als Herausforderung für religiöses Lernen heutiger Kinder und Jugendlicher hereingeholt wird. Unter den Stichworten Subjektivität, Perspektivität, Alterität, Authentizität, Personalität, Reflexivität und Expressivität werden die Lernchancen von Kinder- und Jugendliteratur im religionspädagogischen Kontext abschließend gebündelt.

Unterrichtspraktische Erfahrungen werden im Anschluss von Anne Holterhues dargestellt, die ausgehend von empirischen Studien zeigt, dass die Sinnfrage nach wie vor bei Jugendlichen zentral ist. Jugendliteratur könne gerade hierzu in einem „Religionsunterricht für alle“ „Religiöses in diese Lebenswelt hinein“ anbieten. Exemplarisch zeigt sie Möglichkeiten mit Jutta Richters Erzählung „Der Anfang von Allem“ und John Greens Roman „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ auf. Sie wird aber nicht so konkret, dass die Anregungen zur unterrichtlichen Umsetzung wirklich eine Basis bieten (keine genauen Bezüge oder Verweise auf das Buch, keine Materialien, keine konkreten Arbeitsaufgaben) oder durch Fragen oder Lösungen der Lernenden als Appetizer dienen könnten. Im Anschluss werden weitere Beispiele genannt, wobei ebenfalls ein Verweis auf durchaus vorliegende konkrete Unterrichtsmaterialien fehlt.

Interessante Einsichten auf Fantasy-Literatur bietet der Beitrag von Christina Heidler, der religiöse Elemente in Fantasy-Erzählungen untersucht und über die Strukturierung von Begegnungsebenen (Bildebene, Bezugsebene, Bedeutungsebene) ein hilfreiches und innovatives Raster der Analyse entwickelt. Diese Ebenen werden nachvollziehbar und schön zu lesen an Cornelia Funkes Tintenwelt und der Zauberwelt Harry Potters veranschaulicht: Fantasy speaks Religion! Allerdings, so könnte man im Blick auf die religionspädagogische Verwendung sagen, in eher mythischer Form, die angesichts der umfangreichen Lektüren nicht leicht unterrichtlich aufgenommen werden kann.

Im letzten Beitrag meldet sich der Herausgeber Markus Tomberg selbst zu Wort und fragt, „was sich von Kinder- und Jugendliteratur theologisch lernen lässt“. Es geht also um die Wahrheitsfähigkeit fiktionaler Texte im Sinne von „in Wahrheit erfunden“ und um die Suche nach „literarischer Theologie“ (154). Er zeigt an Themenbereichen mit verschiedenen, in unterschiedlicher Tiefe behandelten Büchern – von der Archegeschichte (Michael Roher „Zugvögel“; Ulrich Hub „An der Arche um Acht“; Kirsten Boie / Regina Kehn „Warum wir im Sommer Mückenstiche kriegen…“) bis zur Gottesfrage (Jutta Richter / Jacky Gleich „Als ich Maria war“; Jutta Richter „Der Hund mit dem gelben Herzen“) zu Wundern (Anne-Laure Bondoux „Die Zeit der Wunder“; Michael G. Bauer „Running Man“) – auf, wie diese biblische Themen Motive und Geschichten zur Sprache bringen.

Allen Beiträgen ist gemeinsam, dass sie zeigen, in welcher Hinsicht der literarisch vermittelte religiöse Wahrnehmungs- und Weltdeutungsmodus religionspädagogisch produktiv sein kann und warum sich von und mit Literatur etwas lernen lässt – auch in religiösen Fragen!

Würzburg: Echter Verlag. 2016 
206 Seiten
16,80 Euro
ISBN: 978-3-429-03964-6

 

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