Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Martin Blay / Michael Winklmann (Hg.): Philosophieren über Gott und die Welt mit Calvin und Hobbes

Es gehört zu den elementaren Aufgaben einer modernen Theologie, ihr notwendiges Verhältnis zur Philosophie zu reflektieren und immer wieder neu zu bestimmen. Will der christliche Glaube seinem Anspruch auf allgemeine Rationalität gerecht werden, so müssen neuzeitliche, moderne und postmoderne Philosophien aufgegriffen und für die Theologie erschlossen werden. Diese komplexe Herausforderung führt konsequenterweise dazu, dass die Auseinandersetzung mit philosophischen Fragen ihren festen Ort in den Curricula der Schulen und Universitäten besitzt. Gleichzeitig stellt sich für Verantwortliche in religiösen Lern- und Bildungsprozessen die Frage immer wieder neu, wie philosophische Themen didaktisch ansprechend aufgearbeitet werden können.

Dieses Desiderat war Anlass für die beiden jungen Theologen Michael Winklmann und Martin Blay, einen Band herauszugeben, der sich als eine kompakte und leicht lesbare Einführung in theologisch-philosophische Grundfragen versteht. Ausgangspunkt ist in der Konzeption des Sammelbandes der in den 1980er Jahren von Bill Watterson entwickelte Comic-Strip „Calvin und Hobbes“. In wenigen Bildern wird hier die Geschichte einer Freundschaft zwischen dem sechsjährigen Calvin und dem Tiger Hobbes erzählt. Es mag verwundern, warum ausgerechnet eine bereits 1995 eingestellte amerikanische Comic-Serie die Beschäftigung mit philosophischen Fragen innerhalb religiöser Bildungsprozesse initiieren soll, doch werden im Verlauf der einzelnen Geschichten aus dem Leben von Calvin und Hobbes mit wenigen Federstrichen große theologische und philosophische Themen formuliert. Die Namen der beiden titelgebenden Hauptfiguren verweisen bereits auf das Feld der unentscheidbaren Fragen, so klingen in ihnen die zwei berühmten Denker der Neuzeit an, der englische Philosoph Thomas Hobbes und der französisch-schweizerische Theologe Johannes Calvin. Analog zu ihren lebenswirklichen Vorbildern sind die Charaktere der beiden Helden innerhalb des Comic-Strips modelliert, erweist sich Calvin hier als ein konsequenter und innovativer Denker, Hobbes dagegen als eine zweifelnde Persönlichkeit mit einer nicht selten negativ besetzten Perspektive auf die Welt. Gerade diese Polarität mag den Charme der kurzen Dialoge auszeichnen, in denen die durch Alltagssituationen ausgelösten Menschheitsfragen zur Sprache kommen.

Der sorgsam redigierte Band versammelt neben einer Einleitung in die sicher nicht jedem vertraute und unmittelbar zugängliche Welt von „Calvin und Hobbes“ zehn Aufsätze junger Theologinnen und Theologen, die als Einzelstudien beispielhaft philosophisch-theologische Themenfelder bearbeiten. Konzeptionspunkt der einzelnen Artikel ist jeweils ein Comic über „Calvin und Hobbes“, worauf die in ihm aufgeworfene Frage facettenreich aus theologischer und philosophischer Perspektive beleuchtet wird. Während in einem ersten Aufsatz schöpfungstheologisch nach dem Grund des Seins gefragt wird, bearbeiten weitere Artikel die Themen personale Identität und das schwierig zu kommunizierende Konzept der Erbsünde. Weitere Einzelbeiträge reflektieren die Bedingungen eines gelingenden und glücklichen Lebens, wodurch einer differenzierten Auseinandersetzung mit der Gottesfrage breiter Raum eingeräumt wird. In den Einzelbeiträgen wird beispielhaft nach einer rationalen Argumentation für die Existenz Gottes ebenso wie nach Lösungsansätzen für die Theodizee-Problematik oder nach dem Verhältnis von menschlichem Gebet und dem Handeln Gottes gefragt. Theologisch-systematische Reflexionen über Fragen der Eschatologie runden den Band schließlich überzeugend ab.

Die Fülle an bearbeiteten Themen erweist sich als eine der großen Stärken des Sammelbandes und löst damit den von den Herausgebern formulierten Anspruch ein, „mit Calvin und Hobbes ins Denken einzusteigen“. Gleichzeitig wäre eine eindeutigere Gliederung durch die Unterteilung in einzelne Kapitel wünschenswert gewesen und hätte eine deutliche Strukturierung der Gesamtanlage des Bandes ermöglicht. Eine implizite Orientierung an den von Immanuel Kant formulierten Fragen, mit denen er die Aufgaben jeder Form des Philosophierens zu erfassen versuchte (Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?), wäre hier beispielsweise gewinnbringend gewesen.

Fraglos wäre es unterkomplex und der Lebenswirklichkeit von Schülerinnen und Schülern nicht angemessen, die oft sparsam gefüllten Sprechblasen und wenigen Bilder der Comic-Serie „Calvin und Hobbes“ als immer passenden und leicht einzusetzenden Schlüssel für die Bearbeitung philosophischer Fragen zu verstehen, doch erweist sich der kompakte Sammelband als ein fundierter Einstieg in die unermessliche Weite der Philosophie. „Philosophieren über Gott und die Welt mit Calvin und Hobbes“ kann es Verantwortlichen in religiösen Lern- und Bildungsprozessen ermöglichen, notwendiges theologisches und philosophisches Grundlagenwissen lesenswert (neu) zu erschließen, um es schließlich didaktisch fruchtbar werden zu lassen.
Freiburg: Herder Verlag. 2018
138 Seiten m. s-w Abb.
14,00 €
ISBN 978-3-415-38064-8

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