Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Mattȃ Al-Maskȋn: Die Erfahrung Gottes im Leben des Gebets

Das vorliegende Buch verdankt sich einer ganzen Reihe „göttlicher Zufälle“. Bevor der Verfasser Mattȃ Al-Maskȋn (1919-2006) – damals noch mit Namen Yusuf Iskander – 1948 seine Apotheke verkaufte, das Geld den Armen schenkte und Kairo verließ, um in einem entlegenen Wüstenkloster koptisch-orthodoxer Mönch zu werden, nahm er noch Abschied von einem guten Freund. Dieser gab ihm ein maschinengeschriebenes Manuskript von 122 Seiten mit auf den Weg, welches er von einem englischen Jerusalem-Pilger erhalten hatte. Yusuf nahm es zusammen mit der Heiligen Schrift zunächst ungeöffnet mit in seine Einsamkeit und entdeckte dort bald den Reichtum der Notizen, die vor allem aus Väterzitaten der orthodoxen Tradition Russlands bestanden. Das „einzige Erbe aus der Welt“ (366) wird für Mattȃ Al-Maskȋn zur täglichen Nahrung und geistlichen Richtschnur. Er beginnt ohne Unterlass zu lesen und zu beten und reichert die Notizen mit Texten von westlichen Vätern an (z. B. Augustinus, Gregor dem Großen) und stellt den Aufzeichnungen seine eigenen Erfahrungen zur Seite. In den Jahren 1952 und 1968 veröffentlicht er die angewachsene Materialsammlung, die sofort in viele Sprachen übersetzt wird. Im Vorwort zur englischen Ausgabe von 2003 betont Mattȃ Al-Maskȋn, dass sein Buch nicht der Lektüre, sondern dem Gebet dienen und auch unmittelbar ins Beten führen will: „Wenn sich dein Herz an einem bestimmten Punkt entflammt, lege das Buch zur Seite, wirf dich zu Boden und bete. Vereine so das Gebet mit der Lesung.“ (IX)

Und so liest sich das Buch, das auf den ersten Blick wie eine Zitatensammlung weisheitlicher Texte erscheint, nicht einfach wie andere Bücher über das Gebet. Statt „über“ seinen Gegenstand zu reflektieren und schnelle Ratschläge zu erteilen, führt Mattȃ Al-Maskȋn immer tiefer in das Gebet hinein. Er spricht mit großem Ernst und der Klarheit und Strenge eines geistlichen Lehrers: „Glaube aber nicht, dass es genügt, sich von den Menschen zu entfernen, um in die Einsamkeit zu gelangen, noch sich in sein Zimmer zurückzuziehen, um in der Stille zu sein. Nein, die Einsamkeit entsteht zuerst im Herzen, und das Schweigen beginnt im Intellekt und nicht im Mund.“ (239)

Es braucht eine Weile, bis sich Mattȃ Al-Maskȋns Gedanken dem Leser erschließen – oder besser: bis sich der Lesende für sie öffnet. Es sind stets kleine Versatzstücke, die nicht in Masse konsumiert, sondern aufmerksam betrachtet – „auskostend meditiert“ (49) – werden wollen, bis aus dem Wort eine Antwort aufleuchtet. Dass das harte Arbeit und Mühsal ist bzw. eine intensive Spiritualität auch mit harter körperlicher Arbeit verbunden ist, verschweigt der erfahrene Wüstenmönch nicht: „Es ist unmöglich, zu einem authentischen Erfolg in der Kontemplation oder ganz allgemein im spirituellen Leben zu gelangen, ohne Anstrengungen in der Erlernung der Askese und der Tugenden zu unternehmen.“ (70) „‚Der zerschlagene Geist‘ lässt sich nicht in einem Tag erwerben und nicht aus Büchern lernen. Es bedarf eines Lebens der tiefinneren Beziehung zu Gott.“ (179) „Versuche, die Stimme Gottes durch unsere Arbeit hindurch wahrzunehmen.“ (246)

Die einleitende Hinführung von Fidelis Ruppert OSB, Abt em. der Benediktinerabtei Münsterschwarzach, sowie die rahmenden Vor- und Nachworte des Verfassers zu verschiedenen Auflagen und Übersetzungen sind eine gute Hinführung und Hilfe, um die komplexe Gliederung des Buches und die Kombination der Väterworte besser zu verstehen und den Reichtum der Erfahrungen und Notizen (ein ausführliches Stellenregister beschließt den Band) fruchtbar werden zu lassen. Denn: „Das Geheimnis dieses Buches liegt in der Verwandlung der Worte über das Gebet in Gebet.“ (366) Ihm sind viele lesende Beter und betende Leser zu wünschen!

Nach der französischen Übersetzung des arabischen Originals ins Deutsche übersetzt von Magdalena Meyer-Dettum
Mit einer Hinführung von Abt em. P. Fidelis Ruppert OSB, Münsterschwarzach
Beuron: Beuroner Kunstverlag. 2. erweiterte deutsche Auflage 2019
369 Seiten m. s-w Abb.
27,90 €
ISBN 978-3-87071-371-3

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