Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Matthias Köckert: Abraham Ahnvater – Vorbild – Kultstifter

Ein ausführliches Buch über Abraham und seine Nachwirkung könnte kaum aktueller sein in einer Zeit, in der die großen Weltreligionen so eng aufeinander rücken wie heute. Dennoch bleibt der Stoff so gewaltig, dass seine Bewältigung immer nur unter einem besonderen Aspekt geschehen kann. Ein wesentliches Anliegen von Matthias Köckert ist es, die von Abraham handelnden biblischen Texte vor allem in ihrer individuellen Gestalt zur Sprache zu bringen und alle weiteren Beobachtungen und Überlegungen darauf aufzubauen. Die individuelle Gestalt der Texte hat aber vor allem ein literarisches Ansehen, und so treten bei diesem Ansatz religions- und traditionsgeschichtliche Betrachtungsweisen, die auch hätten interessieren können, etwas in den Hintergrund. Die rezipierende Frömmigkeitsgeschichte scheint dem Autor mehr am Herzen zu liegen als der ermöglichende ideengeschichtliche Hintergrund, der jeder schriftlichen Fixierung vorausgeht. Doch als Information und Überblick über alle biblischen Texte, die von Abraham handeln, kann dieses Buch in seiner Anlage kaum geeigneter sein. 

Nach einer kurzen Einführung, in der Köckert den allgemeinen Charakter der Texte, die von Abraham handeln, und die Methode seiner Herangehensweise beschreibt, besteht der etwa zwei Drittel umfassende Hauptteil des Buches in der genauen Analyse der einzelnen Texte, die immer in eine möglichst genaue Bestimmung der wahrscheinlichen Abfassungszeit mündet. Dadurch wird deutlich, wie sehr Abraham von Anfang an als geeignete Identifikationsfigur benutzt wurde, um die eigenen zeitgeschichtlichen Probleme zu reflektieren. Freilich tut man gut, gegenüber allzu selbstgewissen und apodiktischen Behauptungen des Autors sich auch für andere Hypothesen und Erklärungsmöglichkeiten offenzuhalten. Doch bietet sicherlich gerade dieser Charakter Abrahams als kollektive Identifikationsfigur viele Anknüpfungspunkte für die Arbeit und Reflexion in Schule und Gemeinde. Der Autor zeigt überall die völkergeschichtliche Perspektive auf, die den scheinbaren Familiengeschichten der Vätererzählungen zugrunde liegen. Jedenfalls kann man mit den literarkritischen Analysen den eigenen Scharfsinn üben, wenn es darum geht, im Vergleichen von Texten zu fragen, welche anderen Texte ein vorliegender Text bereits vorauszusetzen bzw. noch gar nicht zu kennen scheint. Dass der Autor zumeist das Pentateuchmodell nach Erhard Blum mit seiner Orientierung an Erzählblöcken zugrunde legt, bietet denjenigen, die von der katholischen Theologie herkommen, die Möglichkeit, ein interessantes Alternativmodell zu dem hier meist gelehrten Münsteraner Pentateuchmodell nach Zenger u.a. kennenzulernen. 

Das verbleibende Drittel des Buches widmet sich der Wirkungsgeschichte in frühen nachbiblischen Schriften des Judentums und Christentums, für welches Origines als spätester Autor zu Wort kommt, sowie im Koran. 

Eine Besonderheit des Buches, die es gerade für die Verwendung im Religionsunterricht geeignet macht, ist die Aufmerksamkeit für die Wirkungsgeschichte Abrahams in der Kunst. Jüdische Darstellungen (z.B. aus den Synagogen von Dura Europos und Bet-Alpha) kommen nicht zu kurz, der frühen christlichen Mosaikkunst in Ravenna und Rom wird ein eigenes Kapitel gewidmet. Bereits die exegetischen Analysen am Anfang werden von Kunstbetrachtungen begleitet, wobei die Radierungen Rembrandts besondere Aufmerksamkeit erfahren. 

Im Ganzen hat Matthias Köckert eine sehr sorgfältige, wissenschaftlich saubere Arbeit vorlegt, die mit ihrer Gründlichkeit zwar nicht unmittelbar für Unterricht und Gemeinde verwendet werden kann, aber viel nützliches Hintergrundwissen an die Hand gibt.

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt. 2017
479 Seiten m. s-w Abb.
24,00 €
ISBN 978-3-374-04764-2

 

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