Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Mirjam Schambeck: Biblische Facetten

20 Schlüsseltexte für Schule und Gemeinde
 
Mirjam Schambeck, eine in Dogmatik promovierte und mit einer religionspädagogischen Arbeit habilitierte Franziskanerin, lehrt als Professorin für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. Die Verfasserin eröffnet ihr Buch mit einer Einleitung zu „Biblischen Facetten“ – so auch der Buchtitel. Vor die subjektiv ausgewählten „20 Schüsseltexte“ der Bibel ist ein aus zwei Kapiteln bestehender theoretischer Teil zu „Kontexte(n) biblischen Lernens“ und zur praxisbezogenen „bibeltheologischen Didaktik“ gestellt. Im dritten und vierten Kapitel werden die Texte des „Alten und Neuen Bundes“ durch text- und bildorientierte sowie „leibbezogene Lernwege“ (45) bibeldidaktisch gelesen und ins hier und heute „für Schule und Gemeinde“ gedeutet und aktualisiert, um „über Gott und die Welt (unendlich viel zu entdecken)“ (16). Das „Sachbuch“ wird durch einen knappen Epilog, ein Abbildungsverzeichnis und ein Literaturverzeichnis abgerundet.
 
Im theoretischen Teil des Buches wird die Korrelation zwischen der „Welt des Textes“ der Bibel als „Gottes Wort im Menschenwort“ (34) und der „Welt der Leser/innen“ (39) von heute einschließlich deren biblizistischen, fundamentalistischen, anachronistischen Fehlinterpretationen diskutiert, um korrelativen Prozesse zwischen den biblischen Deutungen und den eigenen Lebensdeutungen zu ermöglichen – eine hermeneutische Fragestellung also, die Hans-Georg Gadamer unter „Horizontverschmelzung“ reflektiert hat, um die unterschiedlichen „Horizonte“ bzw. „Welten“ der (biblischen) Autoren des 1. Jahrhunderts als Sender und der Rezipienten mit ihren je eigenen kulturellen, sozialen, religiösen Lebenskontexten vom 1. bis zum 21. Jahrhundert als Empfänger zu „verschmelzen“.
 
Im bibeldidaktisch-praktischen Teil werden mithilfe von Literatur (Franz von Assisi, Der Sonnengesang (1225), Sören Kierkegaard, Furcht und Zittern (1843), Elie Wiesel, Adam oder das Geheimnis des Anfangs (1994), Ralf Rothmann, Im Frühling sterben (2015)), Filmkunst (Fatih Akin, Auf der anderen Seite), Bildern (z.B. Pieter Brueghel, Der Turmbau zu Babel (1563), Michelangelo Caravaggio, Die Berufung des heiligen Matthäus (1599), Rembrandt H. van Rijn, Der verlorene Sohn (1668), Lovis Corinth, Der rote Christus (1922), Ralf Winkler alias Albrecht R. Penck, Der Übergang (1963), Bernhard Heising, Neues vom Turmbau (1978), Serge Bramly und Bettina Rheims, I.N.R.I. (1998), Jacques Gassmann, Neues Jerusalem (2011)) und Musik (Elias-Oratorium von Felix Mendelssohn Bartholdy (1845/47), Heinz-Rudolf Kunze, Frei zu sein (2009)) sowie Collagen oder Rollenspiel bzw. „Bibliodrama“ je zehn Texte der Hebräischen Bibel (Gen 1,1-2,25; 4,1-16; 11,1-9; 22,1-19; 32,23-33; Ex 3,1-17; 14,15-15,1.20-21; 1 Kön 19,1-15a; Ps 88,1-19; Jes 40,1-11) und des Neuen Testaments (Mk 15,33-41; Mt 9,9-13; 14,22-33; Lk 2,1-20; 15,11-32; Joh 2,1-12; 21,1-14; Apg 17,16-34; Röm 11,13-24; Offb 21,1-22,5) mehr kursorisch vorgestellt.
 
Auf diese unterschiedlichen bibeldidaktischen Vorgehensweisen wird sowohl in den Religionslehrbüchern als auch in den aktuellen Kerncurricula für das Fach „Katholische Religion“ in der gymnasialen Oberstufe der Bundesländer Hessen und Rheinland-Pfalz großen Wert gelegt. Schon seit Jahren halten meine Oberstufenschüler/innen auf diese Art und Weise mithilfe von Google und sonstigen Quellen profunde Referate. An dieser Stelle sei auf die Gefahr und Chancen von Bildern exemplarisch anhand Michelangelo Buonarottis Fresko von der „Bekehrung des Apostels Paulus“ in der Capella Paolini hingewiesen: Paulus liegt nach seinem Abwurf vom Pferd auf dem Boden und wird von einem Begleiter aufgerichtet. In den drei Bibelstellen von der Berufung des Saulus/Paulus vor Damaskus in Apg 9,1-9; 22,5-11; 26,12-18 ist nirgends von einem Pferd die Rede, von dem er bei seiner Christophanie fiel.
 
Bei der Beschäftigung mit biblischen Texten wäre es wünschenswert, nicht beim Besprechen im Sinne des literarischen und somit theoretischen „Bibel-Teilens“ zu verbleiben. Mit der „Lectio divina“ können die „existenzerschließende“ (18) Aussageabsicht biblischer Texte erarbeitet und im Sinne eines biblischen „Lernprozesses“ die je „eigenen Lebens- und Glaubensfragen“ (17) erfasst werden („contemplatio“), um das Verstandene als ein von der Bibel inspirierter Akteur („actio“) zu praktizieren. Der Umgang mit der Bibel als „Glaubenszeugnisse“ (32) ist kein literarischer Selbstzweck, sondern er gibt uns Menschen in der Nachfolge Christi Impulse für das Leben aus dem Glauben. So ist zu hoffen, dass es diesem „bibeldidaktischen Buch“ gelingt, „Leserwelt und Textwelt miteinander in ein ‚Gespräch‘ zu verwickeln, in dem beide, Leser wie Text, aufeinander hören und voneinander geprägt werden“ (18).

Ostfildern: Grünewald Verlag. 2017
287 Seiten farb. Abb.
20,00 €
ISBN 978-3-7867-4016-2

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