Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Mirko Breitenstein: Die Benediktiner

Auf knapp 130 Seiten legt Mirko Breitenstein eine konzise und gut lesbare Einführung in die Geschichte der Benediktiner von den Anfängen bis in die Gegenwart vor. Als Ausgangs- und Angelpunkte nimmt der Autor dabei die Benediktsregel und deren Auslegungsgeschichte durch die benediktinischen Gemeinschaften.

Folgerichtig widmet Breitenstein das erste Kapitel der Regel selbst, die er als Norm und Lehrbuch des monastischen Lebens vorstellt. Dargestellt werden die Vorgaben zu Ämtern, Strukturen und Organisation des Klosters, die Wege ins Kloster – Eintritt, Übertritt und Kindesoblation – sowie der typisch benediktinische Wechsel von Gebet und Arbeit. Im Anschluss wendet sich der Autor Benedikt von Nursia zu, dessen Historizität letztlich fraglich bleibt, und erläutert, wie diese Figur etwa im 8. Jahrhundert mit dem mutmaßlichen Autor der Benediktsregel zu einer Person verschmolz (Kap. 2).

Nach einem kurzen Kapitel, das zeigt, wie sich das „benediktinische Monopol“ in der Karolingerzeit herausbildete (Kap. 3), richtet Breitenstein den Blick auf die wichtigsten Entwicklungen im Mittelalter. Ausführlich wird zunächst Cluny als geistiges Reformzentrum im 10. und 11. Jahrhundert vorgestellt, das ein neuartiges System als Klosterverband mit Prioraten einführte und besondere Akzente auf Gebet und Totengedenken legte (Kap. 4). Als wichtige Faktoren für den Aufstieg Clunys stellt Breitenstein die Kirchenfreiheit und die langen Amtszeiten der ersten Äbte heraus.

Auch die Zisterzienser, der erste „Orden“ mit eigenem Partikularrecht, erfahren eine ausführliche Beschreibung, bei der die Gründungsgeschichte, das genuine Filiations- und Visitationssystem sowie die Leitprinzipien der Armut und der „Reinheit der Regel“ (79) dargestellt werden (Kap. 7). In der Carta Caritatis, der zisterziensischen Verfassung, sieht Breitenstein „einen der Schlüsseltexte moderner Rechtsgeschichte“ (81).

Neben diesen beiden großen und bedeutenden Neugründungen kommen auch die lothringischen und ostfränkischen Reformklöster, etwa Gorze, Brogne, Hirsau und Siegburg, in den Blick (Kap. 5). Dabei zeichnet Breitenstein die personellen und inhaltlichen Verbindungslinien zwischen diesen Klöstern und Cluny verständlich nach. Die asketisch-eremitische Bewegung des 10. und 11. Jahrhunderts wird anschließend etwas kürzer behandelt (Kap. 6).

Ein eigenes Kapitel (8) ist auch den Reformbestrebungen und Kongregationsbildungen des Spätmittelalters gewidmet. Exemplarisch werden unter anderem Silvestriner und Cölestiner, die Cassinensische und die Bursfelder Kongregation sowie die Melker Reform vorgestellt. Breitenstein erläutert, wie diese Gemeinschaften nach dem Vorbild der Mendikantenorden Generalkapitel institutionalisierten, eine zeitliche Befristung der Ämter einführten, die Autonomie von Klöstern und Äbten beschnitten sowie Bildung und Wissenschaft förderten. In diesen Reformen zeige sich „das enorme Potential der Benediktsregel und die Flexibilität“ ihrer Umsetzung, so das Fazit des Autors (100).

Die beiden letzten Kapitel (9–10) widmen sich den Neugründungen nach Reformation respektive Säkularisation. Dabei rücken einerseits Gemeinschaften wie St. Vanne und die Mauriner in den Fokus, die sich verstärkt der Pfarrseelsorge und der Bildung und damit dem Diesseits zuwandten, und andererseits Gruppen, die sich mit rigoristischer Strenge der Weltabkehr verschrieben, wie Trappisten und Feuillanten. Mit Solesmes und Beuron kommen abschließend die Liturgische Erneuerung und mit den Missionsorden des 19. Jahrhunderts auch das außereuropäische Benediktinertum in den Blick.

Hervorzuheben ist, dass Breitenstein die Darstellung der einzelnen Entwicklungen jeweils in die gesellschaftlichen und kirchlichen Kontexte einbettet und so zeigt, wie sich das benediktinische Mönchtum immer wieder neu erfand und unter Beibehaltung der Regel als Grundnorm an die zeitlichen Gegebenheiten anpasste. In der Fähigkeit, die im Kloster grundgelegte „Spannung zwischen Diesseits und Jenseits zu halten“, sieht der Autor die Ursache für die Fortdauer des Benediktinertums durch alle zeitlichen Transformationen (8).

Als Einführung sei das verständlich geschriebene Werk, das durch eine Zeittafel, knappe Literaturhinweise, ein kurzes Register und eine Karte des St. Galler Klosterplans abgerundet wird, allen interessierten Leserinnen und Lesern sehr empfohlen.

Geschichte, Lebensformen, Spiritualität
München: C.H. Beck Verlag. 2019
128 Seiten m. s-w Abb.
9,95 €
ISBN 978-3-406-74001-5

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