Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Monika Tworuschka / Udo Tworuschka: Illustrierte Geschichte des Islam

Das Buch liefert dem interessierten Laien einen gut lesbaren Überblick über wichtige Kapitel der Geschichte islamisch geprägter („islamicate“) Gebiete und Herrschaftskonzeptionen. Dabei liegt der Schwerpunkt mit 120 Seiten auf der spätantiken bis mittelalterlichen Zeit, während neuzeitliche Entwicklungen bis zur Gegenwart auf nur 45 Seiten abgehandelt werden. Neben Politik und Zeitgeschichte wird in eigenen Kapiteln auf die Entwicklung des islamischen Rechts und der islamischen Philosophie gesondert eingegangen. Nach eigenem Anspruch (s. die Einführung, 6-7) sollen dabei jeweils die sozialen Zusammenhänge und kulturellen Besonderheiten herausgestellt werden. Somit soll der Leser nicht nur von theologischen Parteien des Islam erfahren, sondern auch vom Zusammenleben der religiösen und ethnischen Gruppierungen, von sozialen Schichten und von der Situation der Frauen in einem Herrschaftsgebiet.

Die Kapitel „Die Entstehung des Islam“ und „Die frühislamische Gesellschaft“ folgen weitgehend den islamischen Quellen und ihrer traditionellen Geschichtsschreibung (s. Zeittafel, 170). Zwar werden außerislamische Quellen erwähnt, welche auf christliche und jüdische Gemeinschaften im Zentral- und Südarabien der vor- und frühislamischen Zeit hinweisen – nicht nur in Jathrib (al-Medina). Die eigentlich wichtige Konsequenz aus den Arbeiten etwa von Angelika Neuwirth (Der Koran als Text der Spätantike) oder Christian J. Robin, der das Einflussgebiet der jemenitischen Himyariten und ihrer jüdisch und christlich beeinflussten Religion in Süd- und Zentralarabien untersucht hat, wird nicht deutlich genug gezogen: Der Eingottglaube des Korans entstand nicht als Schaumgeburt in einem polytheistischen Umfeld des Hedschas, sondern von Anfang an aus einer von Dialog und Abgrenzung zu anderen monotheistischen Vorstellungen geprägten Kommunikationssituation. Die traditionelle Sichtweise, nach welcher der Muhammad geoffenbarte Monotheismus einer splendid isolation entspringt, ist islamische Geschichtstheologie, aber nicht historische Wahrheit. 

Ähnlich gilt, dass Philosophie, Medizin und Wissenschaft im Herrschaftsgebiet des Islam bis ins 10. Jh. überwiegend von Christen und Juden betrieben wurden. Auch wenn in der islamischen Philosophie dieser Zeit die Schule der Mu‘atazila große Bedeutung erlangt, so sind die Muslime selber in ihrem Herrschaftsgebiet noch lange in der Minderheit. Die scientific community in den islamischen Herrschaftsgebieten vom 7. bis mindestens zum 14. Jh. war dabei durchweg eine religiös gemischte. Erst allmählich erfolgt eine Vorrangstellung islamischer Wissenschaftler. In diesen Punkten wäre der Anspruch des Buches, das Zusammenleben der religiösen Gemeinschaften in den Fokus zu rücken, konsequenter umzusetzen gewesen.

Im Kapitel „Der Islam und der europäische Kolonialismus“ wird der selbst gewählte Anspruch dagegen am besten eingelöst. Die Beschreibung der Reformen und des Untergangs des Osmanischen Reiches wird mit zahlreichen Details der gesellschaftlichen und kulturellen Begegnung mit der europäischen Moderne angereichert und in seiner Konsequenz für die ethnischen und religiösen Minderheiten im Reich bedacht. Sinnvoll wird danach Ägypten als pars pro toto hergenommen. Hier lassen sich Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts bürgerliche Emanzipationsbewegungen beschreiben, welche Frauenrechte, die Belange religiöser Minderheiten und die Suche nach einer islamischen Reformtheologie in den Diskurs eines entstehenden Nationalstaates einbringen. In diesem Zusammenhang wäre aber nicht nur die Entstehung der Muslimbruderschaft, sondern auch die Emanzipation der koptischen Christen und ihr Beitrag zur Staatswerdung sowie das Schicksal der ägyptischen Juden bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts erwähnenswert gewesen. An einem solchen Beispiel hätten die Eigenheiten des osmanischen millet-Systems, das über Jahrhunderte das Zusammenleben der religiösen Gruppierungen grundlegend regelte, besser dargestellt werden können als nur in der schmalen historischen Notiz (s. 133).

Manches bleibt im zu schmal geratenen Teil über die Moderne notgedrungen fragmentarisch. Sicher ist dies ein Ergebnis der Einschränkung, die Geschichte des Islam anhand der Gebiete seines historischen Herrschaftsanspruchs erzählen zu wollen. In unseren von Migration geprägten Zeiten lebt ein großer Teil der Muslime außerhalb dieses klassischen islamhaften Herrschaftsbereichs, etwa in Zentral- und Südostasien, im subsaharischen Afrika oder in der westlichen Diaspora.

Ansonsten ist das Buch durchaus empfehlenswert, die angegebene Literatur ist mit den angegebenen Ausnahmen auf dem neuesten Stand. Zur Lesbarkeit trägt neben den zahlreichen Abbildungen bei, dass einige begriffliche Konzepte (z.B. Dschihad) sowie der Lebenslauf vieler erwähnter Personen in separaten Info-Kästen dargestellt werden. Der narrative Fluss der einzelnen Kapitel muss somit nicht durch detaillierte Erklärungen unterbrochen werden. Dies ist gerade am Beispiel vieler der genannten Frauengestalten sinnvoll. Es gehört ja nicht zum europäischen Allgemeinwissen, Sitt el-Mulk – die graue Eminenz der ägyptischen Fatimidenzeit – oder die frühmittelalterliche Mystikerin Rabia al-Adawiyya korrekt einordnen zu können.

Stuttgart: J.B. Metzler Verlag. 2017
176 Seiten m. farb. Abb.
24,99 €
ISBN 978-3-476-04348-1

 

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