Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Norbert Feinendegen: Apostel der Skeptiker

Das vorliegende Buch ist die „Kurzfassung“ einer umfangreicheren Dissertation bei Karl Heinz Menke in Bonn. Dem Autor ist es dennoch gelungen, in einem immer noch umfänglichen Werk in das weitläufige Lebenswerk von C. S. Lewis einzuführen, das sich sprachlich außerordentlich vielseitig zwischen reflektierendem Begreifen und spannendem Erzählen bewegt: Als Literaturwissenschaftler „denkt“ Lewis Gott, als Schriftsteller „erzählt“ er ihn. In seinem Gesamtwerk bilden Mythos und Logos eine Einheit – so wie in der Menschheitsgeschichte sich Göttliches zunächst erzählend im Mythos meldet, im Christentum einmalig und wahrhaftig Geschichte wird und sich im Logos „denkbar“ zeigt, wie es Feinendegen in der Auseinandersetzung Lewis‘ mit seinen Meinungsgegnern und seinen Gesprächspartnern darlegt.

Für Lewis wird die Welt zur Bühne, auf der das Leben der Menschen und aller Kreaturen „gespielt“ wird. Gott kommt da so wenig vor wie Goethe in seinem „Faust“. Im Gegensatz zu Goethe und seinem „Faust“ hat Gott einen einmaligen, auf die Länge der gespielten Stücke bezogen, kurzen Auftritt auf der Bühne der Welt. Feinendegen reserviert dafür die beiden letzten Kapitel seines Buches, in denen er zeigen will, dass aus einer langen mythischen Tradition in der Inkarnation Gottes im Mann aus Nazareth historisch „greifbarer“ Logos geworden ist. Inkarnation wird daher zum zentralen Begriff des Gottes-, Welt- und Menschenverständnisses von Lewis.

Bevor Lewis Gott „dachte“, passierte ihm das, was C. G. Jung einmal für die ganze Menschheit annahm: „Ehe die Menschen lernten, Gedanken zu produzieren, kamen die Gedanken zu ihnen.“ Vor dem Denken und Erzählen hat er ihn „erfahren“, denn er wurde, wie er schrieb, „von Freude überrascht“. Mehrmals – zum ersten Mal im Alter von 8 Jahren. Wie sieht so eine Überraschung aus? Etwas ganz Alltägliches ist der Anlass, und dann geschieht es! Einen Türspalt breit eröffnet sich der Blick in eine andere Welt. Das erste Mal war es ganz unspektakulär der Spielzeuggarten seines Bruders in einer alten Blechdose. Aber dann verselbständigen sich alle Eindrücke, ein Gefühl der Überwältigung und tiefer Sinnerfüllung macht sich breit – so tief, dass alle möglichen Freuden der Welt überboten werden. Lewis erwähnt ausdrücklich, dass auch kein sexuelles Erleben mithalten kann. Diese überwältigende Erfahrung beschreibt er einmal so – und das ist dann das Schlüsselerlebnis der Narnia-Chroniken geworden: „Ich hatte nicht im Geringsten das Gefühl, in größerer Menge oder besserer Qualität eine Freude zu erhalten, die ich schon kannte. Es war mehr, als wenn ein Schrank, den man bisher als Platz geschätzt hatte, um dort Mäntel aufzuhängen, sich eines Tages, beim Öffnen der Tür, als Weg in den Garten der Hesperiden herausstellte.“

Wenn Lewis Gott denkt, begegnet der Wirkgrund allen Wirkens – und das ist Gott. Das geschöpfliche Wirken denkt er in objektiven Wirklichkeitsstufen oder Wirklichkeitsschichten. Diesen muss sich unsere Vernunft adäquat annähern. Diese Wirklichkeitsschichten sind vom Wirkgrund zu unterscheiden. Lewis hat sich ausdrücklich von einem deistischen Gottesverständnis verabschiedet und ein theistisches gewählt. Auf der von ihm bemühten Analogie der Bühne erscheinen wir mit allem Lebendigen und sinnhaft Erfahrbarem. Alles auf der Bühne sinnfällig Erfahrbare wird zum Telos für Naturgesetze, die eine andere, allerdings sekundäre Wirklichkeitsstufe darstellen; Naturgesetze sind ein mathematisch quantitativer Blick hinter die Kulissen. Sie setzen in Szene, was auf der Bühne – das ist die Lebenswelt – qualitativ geschieht. Naturgesetze sind demzufolge ein ehernes Geflecht, die das ursprüngliche Wirken Gottes verfugen. Gott bleibt anders als im Deismus immer Souverän seiner Schöpfung, der Gott vom Sinai, der Gott der Propheten, der Gott von Getsemani und Golgota und des leeren Grabes.

Allein deshalb hält Lewis Wunder nicht nur für möglich, sondern auch für nötig. Wunder sind für ihn allerdings keine Aufhebung der Naturgesetze, sondern ein Wirken in ihrer Kausal- oder Quantenmechanik, aber unter einer Bedingung: Wunder geschehen nur aufgrund eines Dialogs mit Menschen: Entweder durch Gott; dann wird eine Jungfrau schwanger ohne Mitwirken eines Mannes, und die Schwangerschaft verläuft wie gehabt. Gott ist der Wirkgrund dieser entscheidenden Etappe der Heilsgeschichte, und zwar auf die gleiche Art, wie er der Wirkgrund der Schöpfung überhaupt gewesen ist. Oder Gott antwortet auf eine der vielen Bitten der Menschen um Heil und Heilung und erfüllt sie – wie in einer der vielen neutestamentlichen Geschichten und auch danach – oder gibt wenigstens Beistand. Der ehemals Kranke nimmt sein Bett und geht; Knochen, Sehnen und Muskeln verrichten kausalmechanisch ihr Werk wieder gemäß den Naturgesetzen.

Mit Transposition versucht Lewis die verschiedenen Wirklichkeitsstufen bis zum Wirkgrund „denkbar“ zu machen: Darunter versteht er die Hebung von etwas Niederem in ein Höheres und spricht von Perspektiven von unten und oben, von einem Miteinander von Kausalität und Finalität, von vor und hinter der Bühne.

C.S. Lewis als christlicher Denker der Moderne
Dresden: Text & Dialog Verlag. 2015
399 Seiten
29,95 €
ISBN 978-3-943897-22-7

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