Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Philosophie & Ethik in der Grundschule: Gefühle geben zu denken – Das digitale Ich

Viele Eltern wissen ein Lied davon zu singen, dass Kinder ihnen Löcher in den Bauch fragen. Je mehr das Interesse an der alltäglichen Umwelt erwacht, desto wissbegieriger werden die lieben Kleinen. Das ist etwas Kostbares und Eltern freuen sich daran, auch wenn es manchmal anstrengend ist.

In der Grundschule lernen die Kinder Lesen, Schreiben und Rechnen in sukzessiv erweiterten Zahlenräumen. Das bedeutet, dass sie erste Erfahrungen mit abstrakten Zeichen und Symbolen machen. Fünf Finger in der Luft entsprechen der Zahl 5, der Anfangslaut vom Wort Esel wird mit dem Zeichen E versinnbildlicht, die Kinder lernen, was eine einfache Landkarte ist und wie man mit Modellen umgehen muss. Von der Philosophie der Symbolischen Formen Ernst Cassirers haben wir umfassend gelernt, dass der Mensch das „Animal Symbolicum“ par excellence ist. Um sich in der Welt zu orientieren, muss er sie reflexiv ordnen, indem er eine Art symbolisches Netz aus Sprache, Religion, Wissenschaft, Recht usw. über sie ausbreitet, das die unablässig einströmenden Eindrücke „einfängt“. Dies Netz wird zunehmend komplexer und Kinder müssen lernen, es Masche für Masche enger zu knüpfen. Alles kann ihnen zu denken geben.

Viel Spaß und Interesse findet daher das Fach Sachkunde. „Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum, wer nicht fragt, bleibt dumm“, lautete das geniale Lied in der Sesamstraße. Das ist natürlich noch keine Philosophie im strengen Sinn, aber kleinere Kinder zeigen uns, dass das Staunen und Fragen zum Menschsein elementar dazugehört. Es gibt nun einmal Fragen, die auch von Erwachsenen nicht endgültig beantwortet werden können und die dann abgewiesen werden. „Das kommt später“, „dafür bist du noch zu klein“. Das ist schade, weil damit das grundlegende Interesse der Kinder gerade an solchen Themen ausgetrieben werden kann, weil es in der Logik des Nützlichkeitsdenkens angeblich keinen Mehrwert abwirft. Umso pädagogisch verdienstvoller sind dann die Unternehmungen von Grundschullehrerinnen und Grundschullehrern, ein Fach zu erproben, in dem dieses Urbedürfnis von Kindern systematisch aufgegriffen und gefördert wird. Unter der bewährten Herausgeberschaft von Joachim Siebert, der seit Jahrzehnten schon die „Zeitschrift für Didaktik der Philosophie und Ethik“ (ZDPE) betreut hat, erscheint nun mit dem Titel „Philosophie & Ethik in der Grundschule“ eine neue Fachzeitschrift, die sich an Lehrende jüngerer Schülerinnen und Schüler richtet. Die einzelnen Hefte haben klug gewählte thematische Schwerpunkte. Den Auftakt machen die Gefühle. Wie fühlt es sich an, wenn man Angst hat, wütend ist oder fröhlich? Wie sieht man dabei aus? Wie erleben mich andere Menschen dabei? Das setzt am unmittelbaren Erleben der Kinder an und versetzt sie in die Lage, sich über sich selbst klar zu werden. Ein zweites Heft beschäftigt sich mit der digitalisierten Umwelt, in der unsere Kinder ganz selbstverständlich aufwachsen und deren Chancen wie Risiken sie einschätzen lernen müssen, um einmal mündige „User“ zu werden. Ein weiteres Heft wird sich mit dem Thema Zeit beschäftigen, das bei Kindern, auch wenn sie den Klassiker der Kinderliteratur „Momo“ noch nicht gelesen haben können, immer auf Neugier treffen wird. An der Auswahl der Themen zeigt sich die große Erfahrung des Teams der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen um den Herausgeber, die seit Jahren Philosophie unterrichten und als Fachleiter und Fachleiterinnen mit einem soliden akademischen Hintergrund ausgestattet sind.

Die schulische Förderung setzt immer eine adäquate Fachdidaktik voraus, damit keine bunte Spielwiese beliebiger Anmutungen ausgesät wird. Die neue Publikation versucht dieser Versuchung in ihrem Setting entgegenzutreten. Jedes Themenheft wird durch einen grundsätzlichen Artikel eingeleitet, der fachliche und fachdidaktische Aspekte knapp und präzise vorstellt und einschlägige weiterführende Literatur angibt, mit der sich Lehrende vertiefend einarbeiten können. Danach werden methodisch sehr durchdachte und ansprechende Unterrichtseinheiten mit Aufgabenstellungen, Bildern, kurzen Texten usw. vorgestellt, die nach Klassenstufen gegliedert sind. Sie wirken authentisch und sind offenkundig nicht am grünen Tisch entstanden, sondern bereits erprobt. Die Hefte werden mit übersichtlich gestalteten Materialien und Arbeitsblättern, die bewusst als Kopiervorlagen gedacht sind, abgerundet. Das ist ein sehr umsichtiger Service, denn wenn man ein schulisches Neuland betritt, für das es weitgehend noch kein Curriculum gibt, ist man für gutes Material immer dankbar.

Zusammenfassend kann man sagen, dass diese Fachzeitschrift das Spektrum der pädagogischen Publikationen sehr bereichert. Sie ist fachlich seriös, praxisnah und optisch ansprechend und macht sowohl den Unterrichtenden Mut, das Philosophieren in der Grundschule auszuprobieren, als auch den Kindern Mut, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen.

Heft 1-2020: Gefühle geben zu denken
Braunschweig: Westermann. 2020
51 Seiten m. farb. Abb.
18,00 €
ISSN 2700-1008

Philosophie & Ethik in der Grundschule
Heft 2-2020: Das digitale Ich
Braunschweig: Westermann. 2020
51 Seiten m. farb. Abb.
18,00 €
ISSN 2700-1008

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