Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Rainer Oberthür / Carolin und Andreas Obieglo: Was glaubst du?

„Briefe und Lieder zwischen Himmel und Erde“ lautet der Untertitel des neuen Werks von Rainer Oberthür, das in Zusammenarbeit mit dem Musikerehepaar Carolin und Andreas Obieglo (alias Carolin No) entstanden ist. Er verweist auf das eher ungewöhnliche Format der Veröffentlichung in Buch und Audio-CD, das Musik und Text miteinander zu verbinden versucht. Die Brücke zwischen beiden Repräsentationsformen bildet das dem Autor ebenso wie den Musikern je eigene Interesse an den „großen Fragen“. Während das Obieglo-Duo den Fragen nach Wahrheit und Sinn im Leben aufgrund seiner Arbeit als Liedermacher begegnet, sind die an Oberthür gerichteten fiktiven Briefe aus seiner jahrzehntelangen Arbeit als Religionspädagoge und durch die Begegnung mit jungen Menschen geronnen. Während die Musiker in ihrem Vorwort des Buchs konstatieren, dass die Liedtexte gewollt offen gehalten werden und es den Zuhörern obliegt, diese zu interpretieren, versucht sich Oberthür an Antworten, die sich aus seiner Biografie und letztlich aus seiner Religiosität speisen. Verbleibt das musikalische Zeugnis in dieser Hinsicht absichtlich im Vagen, um nach Möglichkeit eine breite Anschlussfähigkeit zu erzeugen, die darauf abzielt, Menschen zu berühren, etwas in ihnen auszulösen – jedoch nicht zu belehren –, stellt der Text Oberthürs das Zeugnis eines durch die Musik Berührten dar, der in den Liedtexten das nachzuspüren vermag, was ihn im Austausch mit Menschen an Fragen erreicht hat.

Die auf dem Einband formulierte Feststellung „Was glaubst du?“ als Ausgangspunkt des ambitionierten Projekts geht von einer Voraussetzung aus, die zumindest mit einem Fragezeichen zu versehen ist. Im Rückblick auf die vergangenen 30 Jahre vermag Oberthür durchaus zu Recht davon ausgehen, dass die im Buch durch Kinder und jungen Jugendliche inspirierten Fragen ein gängiges Phänomen sind. Ob dies in der heutigen Zeit im Hinblick auf das Jugendalter und vor allem auf das Erwachsenenalter in dem Maße zutreffend ist, darf bezweifelt werden. Demnach richtet sich das Buch an Sinnsuchende und Fragende, die auf der Suche nach neuen Anstößen und Inspirationen sind – nicht jedoch an Menschen, die nie gefragt oder aufgehört zu fragen haben.

Dass die musikalische Begleitung der Texte durch ihre unaufdringliche Vagheit hilfreich ist, um Fragen oder Gedanken zu evozieren, ohne zu beliebiger Träumerei zu verleiten, ist letzten Endes davon abhängig, ob man sich durch diese (auch ästhetisch) angesprochen fühlt und gleichzeitig dazu bereit ist, sich den Fragen Oberthürs zu öffnen. Der Autor fühlte sich angesprochen und das Buch stellt das Ergebnis seines Rezeptionsprozesses dar, der in der Zusammenschau von Musik und Text für die Leser des Buchs kaum einzuholen ist. Wie kam es beispielsweise zur Zuordnung verschiedener Musiktitel zu den gestellten Fragen? Erscheint sie bei Titeln wie „Ehrlich gesagt“ – ein Stück, das programmatisch für das Ansinnen des Buchs steht – sehr passend, wirkt der Bezug an anderer Stelle recht erzwungen („Tausendschön“ verbunden mit der Frage nach Gut und Böse).

Das Buch lässt den Rezensenten stellenweise ratlos zurück. Es mutet an, als sei das Werk eine von Oberthür zusammengestellte Sammlung inspirierender Momente seiner religionspädagogischen Arbeit der vergangenen 30 Jahre, welche von Musik begleitet wird, die ihn beim erstmaligen Hören an Weihnachten berührt hat; inhaltliche Verweise zwischen den Briefen und den Liedtexten indes sucht man vergebens. Wurde aus Rücksicht einer interpretativen Übergriffigkeit gegenüber der Musik auf eine deutlich erkennbare inhaltliche Verknüpfung verzichtet, muss sich das „wohlkomponierte Buch“ schlichtweg die Frage gefallen lassen, ob die musikalische Zugabe nicht Gefahr läuft, nur als unterhaltsames Beiwerk zu fungieren.

Einige Anmerkungen zur beigelegten CD: Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich in den vergangenen Jahren ein Übersättigungsgefühl deutschsprachiger Popmusik eingestellt hat: Singer-Songwriter- und Folk-Veröffentlichungen mit bedeutungsschwangeren Texten füllten die Plattenläden, Radiostationen und die Ohren trendbewusster Hörer. Carolin No bedient sich in ihren Balladen zwar in der Regel populär-radiotauglicher Mittel („Fading Sun“, „Ehrlich gesagt“), überwindet jedoch immer wieder genretypische Grenzen: das durch Streicher getragene Pianospiel in „Take time“ wie auch die harmonischen und rhythmischen Mittel arabischer Musik in „The day I grew old“. Einige Titel besitzen hingegen Potential, das nicht ganz ausgenutzt wird: Neben den teilweise recht aufdringlich wirkenden Arrangements der Westerngitarre in „Tausendschön“ wird der durch die Verdichtung von musikalisch getragenen Ebenen angestrebte, sich auf einen Höhepunkt hin orientierte Songstruktur nicht ausreichend Rechnung getragen. Den Blick über Stilgrenzen gewagt, machen das Musikgruppen wie Anathema in ihren Balladen „The Untouchable Part 2“, „The Lost Song Part 2“ oder „Dusk (Dark Is Descending)“ kraftvoller und ergreifender.

Die für das Mixtape des Buches ausgewählten Songs von Carolin No wirken solide, teilweise eigenständig, hinterlassen im Gesamten jedoch den Eindruck, zu gefällig zu sein; positiv sticht hingegen die Produktion hervor, die sich durch einen sehr natürlichen und neutralen Klang auszeichnet.

Briefe und Lieder zwischen Himmel und Erde
Mit 16 Liedern auf CD (61:31 min)
München: Kösel Verlag. 2017
140 Seiten
25,00 €
ISBN 978-3-466-37195-2

Zurück