Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Rainer Oberthür: Stell dir vor…

Gedankenspiele über dich, Gott und die Welt

Wie in Rainer Oberthürs vielen religionspädagogischen Beiträgen und Schriften bildet der Mensch als Wesen, das die Fähigkeit zu denken, zu hinterfragen, zu fantasieren und zu staunen besitzt, den Ausgangspunkt des vorliegenden Büchleins. Es möchte nach Vernehmen des Klappentextes auf „spielerische“ Weise mit „einfachen Gedankenexperimenten“ zum Weiterdenken anregen und Hilfe für ein „bewusstes“ und „achtsames“ Leben sein. 

Der mit einschlägigen Buzzwords versehenen Beschreibung nach zu urteilen, reiht sich das Buch in den umfänglichen und nachgefragten Markt der Ratgeberliteratur ein. Die an ein Kinderbuch erinnernde Gestaltung des Covers vermag das eingangs formulierte Versprechen einzulösen, dass es sich um einfache Gedankenspiele handelt.

Doch bereits das mit einer Aporie beginnende Vorwort lässt erahnen, dass der Autor den Lesern einiges zumutet: „Stell dir vor, du könntest nicht denken (…)“. Leser gängiger Ratgeberliteratur legen das Buch sicherlich beiseite, während kritische Leser eher über den Sinn dieser gezielten Kompositionen („Stell dir vor, du bist ein Elektron (…).“) als über die Inhalte der Impulse selbst sinnieren. Das Werks behält diesen Duktus bei: Oberthür hinterfragt, was weithin als das für das Menschseins Konstitutive angesehen wird (Fähigkeit zu Fragen, individuelle Identität, Perspektivität), um dessen Bedeutsamkeit für den Menschen zu betonen. Hierbei bedient sich der Autor lose an Gedankenexperimenten der Philosophie (wie Pascal, Zenon) und Klassikern der Science Fiction-Literatur (wie Algis Budrys: Rogue Moon, Edwin Abbott: Flatland). 

Lässt man sich auf dieses Spiel des Autors ein, führt das Buch an Grundfragen der Philosophie und Theologie heran. Dabei wirken die Kommentare zu den Fragen weder belehrend, noch beanspruchen sie, Antworten zu liefern, die ein Weiterfragen obsolet erscheinen lassen. Vielmehr berücksichtigt Oberthür die Komplexität und Tiefe der Fragestellungen, die aufgrund der conditio humana unabschließbar bleiben. 

Letztlich fällt es schwer, eine Empfehlung auszusprechen, weil diese stets an eine Zielgruppe gebunden ist; eine solche lässt sich jedoch für das Buch nur schwer identifizieren. Denn einerseits ist der an die Leser gestellte Anspruch recht hoch und es bedarf an Ausdauer, sich mit den Fragen tiefer auseinanderzusetzen; andererseits hält das Werk für die bereits kundige Leserschaft nichts Neues vor. Einzig in der didaktischen Aufbereitung lassen sich Impulse für die religionspädagogische Praxis ableiten.

München: Kösel Verlag. 2016
47 Seiten m. farb. Abb.
9,99 €
ISBN 978-3-466-37170-9

 

Zurück