Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Roberto Simanowski: Digitale Revolution und Bildung

Die Spannung ist auffällig und macht neugierig: Mit seinem Buch „Digitale Revolution und Bildung“ wagt sich der Autor Roberto Simanowski an ein Thema, wie es im bildungspolitischen Bereich kaum größer sein könnte. Dabei stecken zwischen den Buchdeckeln gerade einmal 102 Seiten. Wie passt das zusammen? Vielleicht gelingt das, weil der ausgebildete Lehrer und habilitierte Medienwissenschaftler die Sachverhalte klar auf den Punkt schreiben kann. Vielleicht aber auch, weil die These des Autors so klar umrissen ist: Der Fokus einer Medienbildung, wie Simanowski sie anstrebt, „zielt nicht auf die Regeln, sondern auf die Folgen der digitalen Medien, auf Medienreflexionskompetenz statt Mediennutzungskompetenz.“

Auf den ersten Blick werden damit holzschnittartig zwei Kompetenzbereiche gegeneinander ausgespielt. In der Tat aber wird schnell deutlich, warum der Autor ein so klares Statement setzt: Medienbildung, wie sie derzeit an deutschen Schulen betrieben werde, ziele beinahe ausschließlich auf etwas, was besser als Medienkunde oder -kompetenz in einem herkömmlichen Sinne zu bezeichnen sei, da es um die Aneignung von „handlungsorientiertem Nutzungs- beziehungsweise zweckrationalem Verfügungswissen“ gehe. Einen „verkehrspolizeilichen“ Ansatz mit der Absicht, „Unfälle im Bereich des Digitalen zu vermeiden“ nennt er dies. Eine schöne Metapher. Allerdings reicht ein solcher Ansatz dem Autor nicht aus. Zu deutlich und zu problematisch seien bereits jetzt die gesellschaftlichen Folgen der Digitalisierung an Fehlformen wie Hassrede, Falschnachrichten, Verschwörungstheorien und durch das Internet geförderte Polarisierung zu erkennen. So werde es am Ende eben gerade jene Medienkompetenz der Reflexion sein, die darüber mitentscheide, in welcher Gesellschaft wir einmal leben werden. Ob es dann wohl noch eine Demokratie sein wird?

Das mit Verve gegen jede Form des naiven Digitalismus geschriebene Buch ist ein wichtiger Weckruf. Denn tatsächlich nimmt sich die Medienreflexionskompetenz im Kontext der von den Kultusministern ausgerufenen Medienkompetenzen als nur eine von insgesamt sechs angezielten Medienkompetenzen aus. Hier liegt auch bildungspolitisch ein zu deutlicher Schwerpunkt auf der Nutzung und Anwendung. Und dass der Autor bei der schulischen Medienkompetenz neben dem Literaturunterricht vor allem die kleinen Fächer im Blick hat, ist zustimmungsfähig, zu diesen wäre allerdings gerade der Religionsunterricht zu rechnen, in dem per se ein medienkritisches Potenzial steckt.

Für eine zukunftsfähige Medienkompetenz
Weinheim / Basel: Beltz Juventa. 2021
102 Seiten
16,95€
ISBN 978-3-7799-6511-4

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