Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Sabine Pemsel-Maier: Gott und Jesus Christus

Orientierungswissen Christologie

Sabine Pemsel-Maier, Professorin für Katholische Theologie / Religionspädagogik mit dem Schwerpunkt Dogmatik und ihre Didaktik, hat Pionierarbeit geleistet und eine für den Kontext Schule bestimmte Christologie vorgelegt. Für diesen Zweck hat sie – geleitet vom didaktischen Prinzip der Elementarisierung – den komplexen theologischen Fachdiskurs auf elementare Argumentationsfiguren reduziert. Die vorliegende „elementare Christologie“ möchte Lehrkräfte von der Primar- bis zur Oberstufe befähigen, „eine adäquate Theologie bzw. Christologie für Kinder und Jugendliche bereit zu stellen“ (13). Hinter diesem begrüßenswerten Ziel steht die Beobachtung, dass im Religionsunterricht (RU) beider christlicher Konfessionen der Glaube nicht selten nur als Ethik und Jesus Christus nur als moralisches Vorbild zur Geltung kommen. Dagegen plädiert die Verfasserin für einen RU, der die Sache und die Subjekte in ein fruchtbares Spannungsverhältnis bringt, um den Lernenden eine persönliche Positionierung zu Jesus Christus zu ermöglichen.

Das detaillierte achtseitige Inhaltsverzeichnis ermöglicht eine rasche Orientierung. Alle 20 Kapitel – bis auf die Hinführung zur Christologie und den Schluss zum christlichen Absolutheitsanspruch – sind einheitlich gegliedert: Auf einer Seite werden „Theologische und wissenschaftstheoretische Zugänge“ eröffnet. Etwas ausführlicher fällt das Referat einschlägiger religionspädagogischer Veröffentlichungen („Religionspädagogische Herausforderungen“) aus. Es folgt der Kern eines jeden Kapitels, das ausführlich dargestellte „Christologische Basiswissen“. Auf dieser Grundlage werden knapp gehaltene, substanzielle „Didaktische Perspektiven“ angeboten.

Die systematischen Argumentation setzt am Verhältnis von Geschichte von Glauben an: Weil Jesus Christus kein Mythos ist, sind Glaube und Theologie auf historische Forschung verwiesen, der indes Grenzen gesetzt sind: Es gibt keine Biografie Jesu „jenseits“ des NT und keinen historischen Jesus „jenseits“ aller Dogmen (Kapitel 3 und 4). In den beiden folgenden Kapiteln wird die Reich-Gottes-Botschaft als Heilsbotschaft dargestellt und Jesus Christus als „die personifizierte Erlösung“ (79) bestimmt. Weil die Reich-Gottes-Botschaft nicht ohne Mitwirkende wirklich werden kann, hat Jesus die Kirche gewollt, die sich in mehreren Stufen über die Auferstehung und die Geistsendung herausbildet hat (Kapitel 7). Im anschließenden Kapitel „Auf dem Weg zum Kreuz“ macht die Verfasserin den bedenkenswerten religionsdidaktischen Vorschlag, Passion und Kreuz Jesu aus der Perspektive seines Lebens und Wirkens zu behandeln und dabei der Tempelaktion wie der Gethsemane-Perikope besondere Aufmerksamkeit zu widmen. 

Der Auferweckung, die zum Glauben an Jesus als dem Christus und damit zur Christologie führte, ist das mit 15 Seiten ausführlichste 10. Kapitel gewidmet. In wünschenswerter Klarheit stellt die Autorin die Zumutung der christlichen Auferstehungsbotschaft dar: Es gibt keine durch das leere Grab oder die Erscheinungserzählungen verbürgte historische Gewissheit, sondern allein der im NT bezeugte Glaube der Jünger an ein – modern gesprochen – innovatorisches Handeln Gottes in der Geschichte. 

Kapitel 9 folgt den Spuren vorösterlicher impliziter Christologie (Jesus ist „mehr“ bzw. „größer“ als beispielsweise Abraham). Kapitel 11 beschäftigt sich mit den nachösterlichen Würdetiteln; zu Recht plädiert die Verfasserin dafür, sich im RU mit dem bekanntesten, dem Sohn-Gottes-Titel zu befassen und in Anbetracht möglicher Missverständnisse seine metaphorische Bedeutung zu erschließen. Im nächsten Kapitel erläutert sie die unterschiedlichen christologischen Konzepte der Evangelien sowie theologische Modelle wie Erniedrigung-Erhöhung, Präexistenz und Inkarnation.

Der Zusammenhang von Christologie und Soteriologie wird in den Kapiteln 13 und 14 entfaltet: Von der historischen Frage nach dem Warum des Todes Jesu ist die theologische Frage nach dem Wozu seines Todes zu unterscheiden. Der Tod Jesu, der nach übereinstimmender Überzeugung des NT zu unserem Heil geschah, wird durchaus plural gedeutet. Deutungen wie Sühne, Stellvertretung, Opfer oder Loskauf beziehen sich auf das Phänomen Sünde, das Getrenntsein von Gott, von welcher der Kreuzestod erlöst. Nach Auffassung der Autorin sollte im RU das Phänomen Sünde weniger als ethische, sondern vielmehr als anthropologische und theologische Kategorie plausibel gemacht werden.

Im NT bleiben – grob gesprochen – zwei wichtige theologische Fragen offen: Wie verhalten sich Gott und Jesus Christus zueinander? Und: Wie verhalten sich Vater, Sohn und Geist zueinander? Die heftigen Kontroversen versucht die alte Kirche durch die lehramtlichen Entscheidungen der Konzilien von Nizäa (325), Chalcedon (451) und Konstantinopel (681) zu beenden. Die Zwei-Naturen-Lehre – Jesus Christus ist wahrer Gott und wahrer Mensch – steckt nach Überzeugung der Verfasserin den Rahmen christologischen Nachdenkens ab. Dieses grundlegende christologische Dogma kann auf der Linie Karl Rahners anthropologisch gewendet und der Mensch als auf Gott hin angelegt verstanden werden – was für einen subjektorientierten RU relevant ist (Kapitel 16). Das Bekenntnis des Konzils von Konstantinopel (381) zur Göttlichkeit des Geistes (Kapitel 18) führt zum trinitarischen Dogma von dem einen göttlichen Wesen in den drei Personen – die Verfasserin spricht von den „Verwirklichungsformen“ (217) – Vater, Sohn und Geist. Wenn aber Gott kein ein-einiger, sondern ein drei-einiger Gott, also Beziehung bzw. Gemeinschaft, ist, dann sind seine Schöpfung und sein Geschöpf Mensch relational zu verstehen (Kapitel 19).

Frau Pemsel-Maiers klug konzipiertes „Orientierungswissen Christologie“ beruht auf einem akribisch ausgebreiteten biblischen Fundament. Selbstverständlich wären bei manchen Elementarisierungen auch andere Akzentsetzungen denkbar gewesen. So hätte ich mir gewünscht, dass das frühchristliche Ringen um Christologie, Pneumatologie und Trinität etwas ausführlicher dargestellt und die einschlägigen Positionen – vielleicht in einem Anhang – breiter dokumentiert worden wären. Schade ist es außerdem, dass aus Platzgründen der Dialog mit dem Islam – insbesondere mit Blick auf das Verständnis Jesu und Gottes – nicht berücksichtigt werden konnte, bietet sich den Lernenden im RU doch die Chance, im Lichte einer anderen Religion die eigene besser zu verstehen. Hervorzuheben ist, dass die Verfasserin aus der zentralen Perspektive „Gott und Jesus Christus“ immer wieder die anderen Traktate in den Blick nimmt. Zudem kommen die unterschiedlichen christologischen Akzentsetzungen evangelischer Theologie zu Wort.

Die „elementare Christologie“ fasst den Stand des aktuellen theologischen Diskurses in verständlicher Sprache und in gut nachvollziehbaren Argumentationsschritten zusammen. Ob Berufsanfänger oder „alter Hase“ – wer Sabine Pemsel-Maiers Buch für seinen Unterricht zu Rate heranzieht, erarbeitet sich die notwendigen Grundlagen für einen fachlich anspruchsvollen RU, der seine Schülerinnen und Schüler ernst nimmt. Es sollte in keiner Lehrerbibliothek fehlen.

Stuttgart: Kohlhammer Verlag. 2016
238 Seiten.
29,00 €
ISBN 978-3-17-023414-7

 

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