Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Stephan Loos / Michael Reitemeyer / Georg Trettin (Hg.): Mit dem Segen der Kirche?

Kontroversen um die katholische Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften beschränken sich längst nicht mehr auf theologische Debatten, sondern bestimmen heute zunehmend die pastorale sowie liturgische Praxis. In besonderer Weise kreisen sie dabei um die Frage nach der Segnung homosexueller Paare, der innerhalb des kirchlichen Kontexts zwar nach wie vor vielfach mit Abwehr und Widerstand begegnet wird, seit geraumer Zeit aber auch auf zarte Zugeständnisse trifft. Demnach werden vor allem jene Stimmen lauter, die die Notwendigkeit einer angemessenen Begleitung betonen, den Dialog mit homosexuellen Menschen bewusst suchen und ihren Wunsch nach Zuspruch ernst nehmen wollen. Davon zeugt der von Stephan Loos, Michael Reitemeyer und Georg Trettin herausgegebene Sammelband, welcher das Ergebnis einer 2018 in Hamburg stattgefundenen Tagung ist, deren Impulse in diesem Buch vorgelegt und für die Publikation um weitere Texte ergänzt worden sind.

Neben dem Vorwort der Herausgeber und einem von Bischof Franz-Josef Bode und Erzbischof Stefan Heße unterzeichneten Geleitwort sowie zwei kurzen einleitenden Erfahrungsberichten von Petra Dankova und Stefan Diefenbach besteht der Band aus vierzehn Beiträgen, die zwei thematischen Gruppen zugeordnet wurden: Während sich die ersten fünf Texte auf theologisch-systematische Weise pastoralen Perspektiven angesichts gleichgeschlechtlicher Partnerschaften nähern, beziehen sich die übrigen Artikel explizit auf die Segensfrage. Trotz der Vielfalt der sich daraus ergebenden Anliegen und Stoßrichtungen lassen sich jene Grundlinien skizzieren, die zu den immer wiederkehrenden Dreh- und Angelpunkten der in diesem Sammelband entfalteten Kontroverse gehören.

Demnach sind beinahe alle Beiträge von einer hohen Sensibilität für die Erfahrungen und nicht zuletzt Verletzungen homosexueller Menschen geprägt, die heute eben nicht mehr als „Minderheitenproblem“ (Martina Kreidler-Kos) bagatellisiert werden können. In diesem Sinne scheinen auch heterosexuelle Katholiken und Katholikinnen mehr und mehr darunter zu leiden, dass die sexuell-intimen Beziehungen ihrer gleichgeschlechtlich liebenden Glaubensbrüder und -schwestern nicht anerkannt werden. Im Gegenzug fordern sie ein revidiertes Verständnis von Sexualität, das nicht mehr die natürlichen Gesetze der Reproduktion, sondern das personale Liebesgeschehen als moralisch legitimierendes Gut begreift. Während die lehramtliche Position den Aspekt der Fortpflanzung ins Zentrum rückt und daraus eine grundsätzliche „Analogielosigkeit“ (Stephan Goertz) zwischen homo- und heterosexuellen Verbindungen ableitet, wird in dem Sammelband verstärkt von der gelebten Liebe zweier Menschen ausgegangen, die sich eben nicht auf die Ehe zwischen Frau und Mann reduzieren lässt. Diese Einsicht bestätigen psychologische Studien. So liegen die Differenzen nicht in der Beziehungsfähigkeit bzw. -gestaltung der Partner, sondern in den Diskriminierungserfahrungen, die gleichgeschlechtlich Liebende weitaus häufiger erleben als heterosexuelle Menschen und die zur massiven Belastung werden können (Tillman-David Schneider).

Die Kirche steht daher aus Sicht zahlreicher Menschen vor der Entscheidung: Will sie ein Ort der Wertschätzung oder ein Ort der Ablehnung und Ausgrenzung sein? Und wie könnte sie ihre Wertschätzung angemessen ausdrücken? Diesen Fragen wird in den Beiträgen zur Segensfeier nachgegangen. Dabei steht fest: Viele homosexuelle Paare sehnen sich nach einem Zeichen des Zuspruchs, nach einer Anerkennung ihrer Liebesbeziehung (Birgit Mock, Georg Trettin). Wie nun einem solchen Wunsch konkret nachgekommen werden kann, hat etwa die Diözese Limburg anhand eines Vorschlags für Segensfeiern von homosexuellen sowie wiederverheirateten und unverheirateten Paaren vorgelegt. Ausgangspunkt des Vorschlags ist der Blick auf die Potentiale und Ressourcen dieser Beziehungen, die zwar nicht mit einem Ehebund gleichbedeutend sind, aber trotzdem auf Zusage hoffen dürfen, die nicht hinter verschlossenen Türen erfolgt, sondern öffentlichen Charakter hat (Michael Thun / Johannes zu Eltz). Dieser Zugang lässt sich im Übrigen mit dem liturgischen Segensverständnis vereinen: Demnach ist ein Segen keine Belohnung für ein moralisch integres Handeln, sondern eine unverdankte Heilszusage Gottes, die durch die Kirche vermittelt, aber im strengen Sinn nicht durch sie hergestellt wird (Hans-Joachim Sander, Thomas Schüller).

Insgesamt zeichnet sich der Sammelband durch eine hohe Vielfalt aus: Entsprechend unterscheiden sich die Beiträge sowohl im Umfang als auch in der jeweiligen Intention, d.h. neben zwei- bis fünfseitigen Erfahrungsberichten von Paaren, Seelsorgern sowie konkreten Vorschlägen für die Durchführung von Segensfeiern lassen sich deutlich umfangreichere theologische, allerdings nicht immer in gleicher Weise überzeugende Auseinandersetzungen finden. Aus diesem Grund scheint das Buch besonders für jene Personen geeignet zu sein, die Freude an verschiedenen Zugängen haben und diese in ihrer beruflichen Praxis (z.B. angesichts variierender Vorkenntnisse, Alters- oder Interessensgruppen) auf methodisch-didaktische Art nutzen wollen.

Gleichgeschlechtliche Partnerschaft im Fokus der Pastoral
Freiburg: Herder Verlag. 2019
207 Seiten
22,00 €
ISBN 978-3-451-38417-2

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