Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Thomas Frings: Aus, Amen, Ende?

So kann ich nicht mehr Pfarrer sein

Mit seinem Text „Kurskorrektur“ hat Thomas Frings im vergangenen Jahr für Aufsehen gesorgt. Darin begründet der von mehrheitskatholischer Servicementalität gefrustete Münsteraner Priester seinen Abschied aus der Gemeindeleitung und seinen vorläufigen Rückzug in ein Kloster. Was lag näher, als diesem eingängigen Statement ein Buch hinterherzuschieben, das die dort in elementarisierter Form dargestellten Gründe für die Amtsaufgabe eingehender ausführt. Frings tut dies – und er tut dies ohne Häme gegenüber Sakramentennippern und Generalvikariaten. Und er steuert – das durfte auch erwartet werden – die eine oder andere Anekdote aus dem pastoralen Notstandsgebiet bei: Eine Firmbewerberin und ihre Mutter hatten sich mit Frings zu einem Gesprächstermin nach der Heiligen Messe verabredet. Beide kamen, allerdings erst zum Segen. Vorher waren sie in der benachbarten evangelischen Kirche gelandet und hatten die Pfarrerin nach deren „Mann“ gefragt. Mit ihm hätten sie einen Termin. 

Manche andere Begebenheit erinnert unwillkürlich daran, wie lange der Prozess der Entkirchlichung in den Gemeinden schon spürbar ist – etwa wenn darum gefeilscht wird, wie um Samstagssportschau und Sonntagmorgenbrunch herum die Heilige Messe platziert werden soll. Der Leser schmunzelt oder rauft sich die Haare, ist aber letztlich froh, dass Frings die Sachverhalte ohne kulturkämpferische Attitude und Abendlanduntergangsphraseologie behandelt. Vielmehr setzt er an den in „Kurskorrektur“ diagnostizierten Problemstellungen an, erläutert sie mithilfe persönlicher Erfahrungen und gängiger kirchensoziologischer Einsichten, um abzuschließen mit der Vision einer „Entscheidungsgemeinde“. Als Alternative zum gemanagten Rückbau des kirchlichen Sozialkörpers und zur „Pastoral der Vergeblichkeit“ möchte er den „Resetbutton drücken“, um eine adressatengemäße Form kirchlicher Präsenz und religiöser Performanz suchen bzw. erfinden zu lassen. Warum z.B. nicht zu Beginn des Lebens einen niedrigschwelligen Ritus wie den Segen, und die Taufe erst, wenn die Eltern das Versprechen zur Erziehung im Glauben wirklich geben und halten wollen?

Frings plädiert mehr oder weniger deutlich für den Schutz der Sakramente vor Übergriffen durch Eventchristen. Das ist pastoraltheologisch umstritten, trotzdem sympathisch und für Priester im Grunde die letzte Rettung vor dem Zynismus. Seine Formel für die von ihm skizzierte „Entscheidungsgemeinde“: Nach außen Zuspruch, nach innen Anspruch.

Das Buch lässt sich gut lesen, aber irgendwann beschleicht einen doch die Frage: Mit wem spricht der Autor eigentlich? Die Ausführungen bringen ja nicht wirklich Neues. Vor dreißig Jahren wären die zusammengestellten Beispiele, die schönen Metaphern („Erstkommunion als Grandhotel, in dem ein Historienschinken aufgeführt wird“) sowie die skizzierte Lösung vielleicht noch aufrüttelnd, anregend oder innovativ gewesen. Aber 2017?

Der Verfasser meint doch nicht wirklich, dass überall City-, Kultur- und Jugendkirchen aus dem Boden sprießen oder kleinere Aktivistengruppen genügend Strahlkraft besitzen werden, um die Botschaft des Evangeliums anschaulich werden zu lassen. Er weiß doch um die Gottes- und Glaubenskrise in unserer Kultur. Warum bleibt gerade dieser Aspekt so seltsam unterbelichtet? Warum die Konzentration auf die Ekklesiologie, wo doch der Glaube an den personalen Gott wegbricht? Ob seine „Entscheidungsgemeinde“ angesichts der geistigen Großwetterlage wirklich ein Zukunftsmodell darstellt oder doch nur eine Übergangslösung für die vom katholischen Neuheidentum geschundenen Priester- und Hauptamtlichenseelen?

Was bleibt? Das Buch erinnert jenseits der bekannten Datenlage an die Gärungen in der Pfarrerschaft, der nicht nur das Rollenset, sondern mittlerweile auch der Sinn ihres alltäglichen Tuns abhandengekommen ist. Diese Ehrlichkeit ist entwaffnend-sympathisch. Im Kern legt Frings ein konservatives Reformmodell vor, das die Einseitigkeiten der reaktionären Kulturkämpfer vermeidet und zugleich die katholische Identität bewahren möchte: Glaube, Gemeinde, Sakramente, Bischof, Papst. Manche pointierte Neujustierung der Verantwortlichkeiten in der Gemeinde der Zukunft („Die Getauften sind nicht Mitarbeiter der Hauptamtlichen, sondern diese Mitarbeiter der Getauften“) klingt vor diesem Hintergrund überhaupt nicht protestantisch. Realistisch ist sie dennoch nicht.

Freiburg: Herder Verlag. 2017
176 Seiten
16,99 €
ISBN 978-3-451-37797-6

 

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