Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Thomas Quartier: Lebenslieder

Wörtlich bezeichnet der englische Begriff „Soundtrack“ die Tonspur eines Films, die meist losgelöst von ihrem jeweiligen Werk – z.B. als Audio-Datei zur DVD – veröffentlicht wird. Ein Soundtrack kann sowohl neue Kompositionen als auch bereits existierende Musikstücke umfassen. Charakteristisch ist, dass eine funktionale Verbindung zwischen den akustischen und szenischen Sequenzen besteht. Das Klangliche unterstützt und verstärkt das Visuelle et vice versa.

Ähnlich verhält es sich mit dem vorliegenden Buch von Thomas Quartier, Benediktinermönch der Abtei St. Willibrord in Doetinchem (Niederlande). Keine Filmmusik, aber nichts weniger als einen „Soundtrack der Gottsuche“ wollen seine „Lebenslieder“ zu Gehör bringen. Der Inhalt des 220 Seiten starken Buches ist durchkomponiert: 10 Kapitel, die jeweils einen Oberbegriff mit einem Vers der Hl. Schrift verbinden, untergliedern sich in 77 kleine Abschnitte, die durchgängig mit meist nur einem Wort überschrieben werden, das aber nicht eigens im Inhaltsverzeichnis aufgeführt wird. Quartier, der sich während seiner Studienzeit als Straßenmusiker etwas hinzuverdiente, ergründet Idole, Visionen und Lieder, die immer wieder zum „Soundtrack“ seiner Suche wurden und werden. Biographische Erfahrungen, die überwiegend musikalische Erlebnisse thematisieren (z.B. den Kauf einer Schaliplatte, die Begegnung mit einem Künstler, eine unvergessliche Melodie) werden mit biblischen Texten, Passagen der Benediktusregel und Gedanken zur klösterlichen Lebensform kontrastiert, so dass mal Dissonanzen, mal unerwartete Harmonien entstehen, die in jedem Kapitel erneut an- und nachklingen. Der Autor weiß, wie wichtig Träume für das Leben und für Veränderungen sind: „Neue Impulse dürfen nie mit Autoritätsargumenten im Keim erstickt werden – so auch neue Lieder, neue Visionen und neue Geschmäcker.“ Es gehe im Kloster, in der Welt und in den je eigenen Lebensliedern vielmehr darum, „authentisch-kreativ“ und „dialogisch beieinander“ zu sein, um sich so dem „Unerwarteten“ zu öffnen. Nur das werde dem heiligen Boden, den man betreten will, wirklich gerecht.

Auf erzählerisch dichte Weise gelingt es Quartier, einen reichen Klang- und Motivteppich mit scheinbar unerhörten Rhythmen zu weben, wo sich z.B. Liedtexte von John Lennon oder Bob Dylan mit Impulsen zur klösterlichen Spiritualität zu einer mehrstimmigen Partitur verknüpfen: „Man verliert sich selber in Bildern und Liedern. Im Kloster ist das genauso. […] Gerade in Momenten der Verwirrung kann man Begegnungen haben, die bedeutungsvoll sind. Bob Dylans Lieder werden für mich mehr und mehr zu solchen Begegnungen: mit Menschen, für die ich nie und nimmer offen wäre, wenn ich den Selbstbetrug, der mir von innen und außen aufgedrängt wird, nicht loslassen würde. Man muss letztlich auch die Klosterregel wieder loslassen, genau wie das Lied und das Bild. Auch die eigenen festgefahrenen Muster, sogar das Kloster selber. All das ist nicht das Leben, nach dem wir suchen. Das befindet sich nämlich jenseits aller Grenzen.“

Das Buch ist kein spiritueller Ratgeber im klassischen Sinn, doch Quartiers nachdenklich gestimmte „Lebenslieder“ von Bluesharp bis Gregorianik bieten viele Assoziationen zum Anknüpfen, Einstimmen und Weiterdenken.

Ein Soundtrack für Klosterspiritualität
München: Herder Verlag. 2019
223 Seiten
20,00 €
ISBN 978-3-466-37253-9

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