Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Thomas R. Elßner: Hiob

Wenn Menschen den christlichen Glauben ablehnen, geben sie dafür verschiedene Gründe an. Und viele der Argumente sind leicht zu entkräften. Eines aber wird sehr hartnäckig vertreten und gilt als „Fels des Atheismus“. Und das lautet in seiner populären Form, dass es Gott nicht geben könne, weil ein liebender Gott, der zugleich allmächtig ist, nie und nimmer das Leid dieser Welt zulassen würde.

„Im Lande Uz lebte ein Mann mit Namen Ijob. Dieser Mann war untadelig und rechtschaffen; er fürchtete Gott und mied das Böse.“ (Ijob 1,1) Mit dieser Charakterisierung beginnt das Buch Ijob die große Geschichte von einem rechtschaffenen Menschen, dem unendliches Leid zustößt. Der Verfasser, der diese Erzählung niedergeschrieben hat, greift hier die große Menschheitsfrage auf – die Frage nach dem Warum des Leids, der Schicksalsschläge, der menschlichen Not.

Die Bücher, die zum Ijob-Buch erschienen sind, lassen sich kaum zählen. Die vorliegende Publikation von Thomas Elßner, Professor für Altes Testament an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar, hebt sich aber in mehrfacher Hinsicht ab. Sie ist ausgesprochen kurz und umfasst gerade 76 Seiten. Sie fragt nicht nach der Entstehungsgeschichte des Textes, sondern nimmt ihn so in den Blick, wie er den Leser(innen) heute vorliegt. Sie lädt ein, sich das Buch „als einen dramaturgisch gestalteten Text vorzustellen“ (13f). Das Drama umfasst vier Akte mit den jeweils dazugehörigen Szenen: Der erste Akt (1,1-2,13) stellt die drei Protagonisten Ijob, Satan und Gott vor und deren „Dreiecksbeziehung“. Der zweite Akt (3,1-37) umfasst die „großen Dialoge“ (der Frau und Freunde des Ijob). Der dritte Akt (38,1-42,6) entfaltet noch einmal das Verhältnis zwischen Gott und Ijob. Der letzte Akt (42,7-42,12) endet mit der Frage „Ende gut. Alles gut?“

Der Satan tritt im Buch Ijob nicht als metaphysischer Gegenspieler Gottes auf. Er ist „bloß“ Angehöriger des göttlichen Hofstaates. Er ist ein „Berufsoppositioneller“. Er ist, genauer gesagt, die Verkörperung des „göttlichen Zweifels an der echten, uneigennützigen Frömmigkeit des Menschen“ (Georg Fohrer): Nicht wenige Gläubige sind deshalb fromm und gottesfürchtig, weil sie im Leben sowohl privat als auch beruflich Erfolg haben. „Aber sobald sich schwerwiegende Krisen einstellen …, ist es nicht selten alsbald um den ‚Gottesglauben‘ geschehen“ (23). Dahinter steht die Idee des Tun-Ergehen-Zusammenhangs: „Wenn ich fromm und gottesfürchtig lebe, Gottes Verbote und Gebote beachte, so wird mir Gott ein erfolgreiches Leben gewähren“ (23f). Man spricht in diesem Zusammenhang beim Ijobbuch als Ausdruck der Krise der Weisheit, in der der Glaube an den Tun-Ergehen-Zusammenhang und damit an einen nach menschlichen Maßstäben „gerechten“ Gott zu zerbrechen droht angesichts schwieriger Lebenssituationen.

Nicht nur der Satan, sondern JHWH selbst will wissen, ob Ijob im Leid standhält (vgl. 31). Seine „Erprobung“ ist sozusagen die dynamische Triebfeder, die dem Buch die nötige Spannung verleiht. Ijob wird hier weniger als „Rebell“ denn als „großer Dulder“ gezeichnet (vgl. 46). Er „gibt klein bei“ und „schweigt“ schließlich sogar ganz (54).

Der Verfasser geht vor allem mit dem göttlichen Protagonisten hart ins Gericht. Er „schüchtert“ Ijob ein durch den Verweis auf seine Schöpfermacht (54). Er „kneift“, er nennt ihm nicht die wahren Hintergründe für sein Leiden (56). Er segnet zwar sein späteres Leben. Ein solches Geschick aber wird nicht allen Leidenden zuteil, wie der Verfasser einwendet (68).

Der Zuschauer (und damit der Leser) erfährt wie in einem Theaterstück „von Szene zu Szene, von Kapitel zu Kapitel die leitenden Motive der handelnden Personen und weiß somit nahezu von Anfang an, worum es im Hiobstück geht und was auf der Bühne geschieht“ (13f). Er hat also im Gegensatz zum Protagonisten Ijob immer einen Wissensvorsprung. Er weiß von der ersten Szene an, warum Ijob leiden muss: „Weil Gott sich vom Satan hat provozieren lassen“. Gott aber bleibt ihm dieses Eingeständnis schuldig (68).

Der Verfasser schreibt flüssig und locker. Er bezieht zuweilen Texte der antiken Literatur als Vergleichsmaterial ein, z. B. die Metamorphosen des Ovid oder die Antigone von Sophokles. Er bietet immer wieder Aktualisierungen, wenn er z. B. die Rede des Elihu mit einem Prediger vergleicht, der noch einmal „durchstartet“, obwohl schon alles gesagt worden ist (49). Er behandelt das Thema der Theodizee nicht nüchtern und abgeklärt, sondern sehr leidenschaftlich, was vor allem in seiner Wertung des göttlichen Protagonisten zum Ausdruck kommt. Wenn er sagt: „Die Frage nach dem Leid bleibt ohne Antwort“ (58), dann ist das nicht nur ein resignatives Eingeständnis, sondern vielmehr ein Akt existentieller Betroffenheit mit Ijob und allen Menschen, die von schwerem Leid heimgesucht worden sind.

Von allen guten Geistern verlassen
Limburg: Glaukos Verlag. 2018
76 Seiten
16,80 €
ISBN 978-3-930428-423-7

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