Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Thomas Schlag / Jasmine Suhner (Hg.): Theologie als Herausforderung religiöser Bildung


Bildungstheoretische Orientierungen zur Theologizität der Religionspädagogik

Ist die Religionspädagogik eine theologische Wissenschaft? Und was ist das Theologische an der Religionspädagogik? Diese Fragen verweisen auf die wissenschaftstheoretischen Diskurse, die schon seit längerem auch in anderen theologischen Disziplinen geführt werden. Die Frage, in welchem Sinne die Religionspädagogik eine theologische Disziplin ist, lässt sich mit gleichem Recht in Bezug auf die alt- und neutestamentliche Exegese, die Kirchengeschichte, die Moraltheologie, das Kirchenrecht oder die Pastoraltheologie stellen. Denn diese theologischen Wissenschaften beziehen ihre Methodik im Regelfall aus den entsprechenden Kulturwissenschaften (z.B. Alt-Orientalistik, Altphilologie, Geschichtswissenschaft), der Philosophie, der Rechtswissenschaft oder den Humanwissenschaften. Das Theologische lässt sich nicht über die Gegenstände bestimmen. Christentum und Kirche sind auch Gegenstand der profanen Geschichtswissenschaft, der Soziologie oder der Politikwissenschaft. Die biblischen Schriften sind zweifellos Teil des altorientalischen und antiken Schrifttums. Ethische Fragen werden ebenso in der Philosophie thematisiert und ein Blick auf die Wissenschaftsorganisation in Großbritannien zeigt, dass die Religionspädagogik in den Religionswissenschaften verortet werden kann.

Zumindest im Fall der Religionspädagogik ist die Frage nach dem Theologischen oder, um den vom Züricher Religionspädagogen Thomas Schlag kreierten Neologismus zu verwenden, der Theologizität mehr als eine wissenschaftstheoretische Frage. Sie ist eine Frage nach der Konzeption des Religionsunterrichts in der Schule und sogar nach der Unterrichtsgestaltung. In den öffentlichen Debatten artikuliert sich nämlich nicht selten ein erkennbares Interesse an religionskundlicher Bildung, das sich jedoch mit einer ebenso deutlichen Skepsis gegenüber der theologischen Prägung religiöser Bildungsprozesse – also der Konfessionalität des Unterrichts – zumindest in der öffentlichen Schule verbindet. In einer groß angelegten Unterrichtsstudie hat Rudolf Englert mit seinem Essener Forschungsteam gezeigt, dass die rechtlichen und administrativen Vorgaben die theologische Prägung des Religionsunterrichts keineswegs garantieren. Religionslehrkräfte bringen – so das zentrale Ergebnis der Studie – ihre theologische Expertise oder ihre eigenen religiösen Überzeugungen eher selten in den Unterricht ein. In der Unterrichtspraxis relativiert sich somit der konzeptionelle Unterschied von konfessionellen und religionskundlichen Unterrichtsmodellen. Mit der Frage nach der Theologizität der Religionspädagogik haben Thomas Schlag und Jasmine Suhner also eine wissenschaftstheoretische Debatte mit höchst praktischen Konsequenzen angestoßen.

Erwartungsgemäß fallen die Antworten auf diese Frage höchst unterschiedlich aus. Friedrich Schweitzer und Rudolf Englert führen in ihren Beiträgen in die Thematik ein, indem sie das Diskursfeld sondieren und die verschiedenen Ebenen der Debatte sowie die unterschiedlichen Antwortversuche skizzieren. Instruktiv sind die Aufsätze von Martin Rothgangel und Henrik Simojoki, die das Theologische in den vor allem evangelischen religionspädagogischen Ansätzen der Vergangenheit zu bestimmen versuchen. Leider fehlt ein historisch orientierter Beitrag zur Entwicklung der Religionspädagogik im katholischen Bereich. Bernhard Grümme legt stattdessen ein Plädoyer für eine theologische Anthropologie vor, die er aber nicht theologiegeschichtlich verortet.

Die profilierteste Antwort auf die Frage nach der Theologizität der Religionspädagogik gibt Bernhard Dressler. Er schlägt vor, Theologie funktional zu bestimmen, nämlich als Wissenschaft, die – im Unterschied zur Religionswissenschaft – „der Erhaltung und Gestaltung des christlichen Glaubens als religiöser Praxis dient“. Dieses praktische Interesse, „Religion als kulturelle Praxis lebendig und mit den Regeln weltanschaulicher Pluralität vereinbar zu halten“, verbinde den Religionsunterricht mit der Theologie. Die spannende Frage ist nun, ob ein solches praktisches Interesse sich wissenschaftstheoretisch und im Fall des Religionsunterrichts öffentlich rechtfertigen lässt. An der Antwort auf diese Frage hängt die Zukunft sowohl der Theologie an den Universitäten als auch des Religionsunterrichts in der Schule. Es bleibt deshalb zu hoffen, dass die von Schlag und Suhner angestoßene Debatte fortgeführt wird.

Stuttgart: Kohlhammer Verlag. 2017
191 Seiten
35,00 €
ISBN 978-3-17-031476-7

 

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