Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Willi Steul (Hg.): Koran erklärt

unter Mitwirkung von Sebastian Engelbrecht und Thorsten Gerald Schneiders
Ein Beitrag zur Aufklärung

Vielfalt und Auflagenhöhe der Publikationen zum Thema Islam sprechen eine deutliche Sprache: Es herrscht ein hoher Informationsbedarf in Sachen Religion. Nicht selten bedienen die gewählten Titel dabei jedoch islamophobe Klischees und Totalitarismen – sei es in den Printmedien oder in den Programmen der privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Sie bilden ex- und implizit die Grundlage für Meinungsbildung und prägen das Bild des Islams, besonders in seiner politisierten und virtuellen Form. 

Eine dagegen innovative Präsentation islamischer Glaubensinhalte stellt die seit dem 6. März 2015 freitags um 9:55 Uhr gesendete Deutschlandfunk-Reihe „Koran erklärt“ dar. Die Autorinnen und Autoren der Sendung sind renommierte Islamwissenschaftler und islamische Theologen aus aller Welt. Ausgewählte Koranverse werden in deutscher Übersetzung vorgetragen, in ihrem historischen und religionswissenschaftlichen Kontext erläutert und in einen Bezug zur Lebenswelt des 21. Jahrhundert gestellt. Die journalistische Verantwortung liegt beim Sender, der bewusst keine islamischen Verbände in die Überlegungen einbezogen hat. Stattdessen knüpften islam- und religionswissenschaftlich ausgebildete Redakteure Kontakte zu Dozenten an nationalen und internationalen Universitäten. 

81 der jeweils fünfminütigen Reflexionen und Interpretationen liegen nun als gedrucktes Wort vor. Dabei geht es dem DLF nicht um ein „religionswissenschaftliches Seminar“ oder eine „muslimisch religiöse Verkündigung“ analog zum christlichen Sendeformat „Wort zum Sonntag“. Das erklärte Ziel beider Formate ist vielmehr stark informativ ausgerichtet: Sendung und Buch wollen Interesse wecken und Aufklärungsarbeit leisten, indem sie Wissen vermitteln und Missverständnisse und Unkenntnis ausräumen – informieren, aufklären, differenziert betrachten. Zielgruppe: primär Nichtmuslime ohne spezielle Vorbildung. Denn „wer das Lebensgefühl und die Denkweise der Mitbürger verstehen will, auch ihre Veränderung inmitten der kulturell anders geprägten deutschen Gesellschaft, der muss sich auch mit offener Neugier mit dem Islam beschäftigen“, so Willi Steul, Herausgeber des Buches und DLF-Intendant, in seinem Vorwort. 

Die vorliegende Publikation ist aber weit mehr als eine Textsammlung der gesendeten Version. Die Betrachtungen der 51 ausgewiesenen Wissenschaftler zum heiligen Buch der Muslime, die schwer verständliche und strittige Suren nicht aussparen, werden in 16 thematische Kapitel gegliedert, die sowohl einen sozialpolitischen als auch einen glaubensspezifischen Zugang ermöglichen: Auslegungsfragen, Eigenschaften Gottes, Mohammed, Schöpfung, Apokalypse und Jenseits, Frauen, Juden und Christen, Gewalt und Krieg etc. Zudem begrenzt das Sendeformat den gedruckten Text auf ein überschaubares, komprimiertes und pointiertes Wort von maximal 2,5 Buchseiten – ideal für Diskussionsrunden und Dialogveranstaltungen.

Drei umfangreiche Essays bieten ergänzendes und fundiertes Hintergrundwissen: Thorsten Gerald Schneider skizziert die Geschichte der Koranauslegung und erläutert Auswahl und Koranübersetzung der Sendereihe (219-245). Angelika Neuwirth veranschaulicht die Problematik der „Koranexegese zwischen Theologie und Orientalistik“ (246-252) und weist auf Stärken und Defizite der Publikation hin, Sebastian Engelbrecht gibt einen Überblick über die Entwicklung der Beteiligung des Islams in Rundfunk und Presse in den letzten Jahrzehnten (253-281). Ein Verzeichnis der ausgelegten Suren beschließt den Band. 

„Koran erklärt“ leistet eine beeindruckende und spannende Übersetzungsarbeit zwischen Welten, Kulturen und Religionen auf hohem Niveau – aber vor allem einen wichtigen Beitrag zum interreligiösen Diskurs von Juden, Christen und Muslimen. 

Berlin: Suhrkamp Verlag. 2017
298 Seiten
10,00 €
ISBN 978-3-518-46802-9

 

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