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Winfried Schröder: Atheismus

Winfried Schröder nennt als sein Vorhaben die Darstellung und Diskussion der wichtigsten Einwände, die gegen den Atheismus vorgebracht werden. Zu Beginn werden die zentralen Begriffe „Atheismus“ und „Theismus“ erklärt, wobei Schröder im Theismus einen Sammelbegriff von Theorien über Gott sieht, im Atheismus aber lediglich die Einzelthese, Gott existiere nicht (11), auch wenn hinter der atheistischen These verschiedene philosophische Ansätze stünden. Die theistische Position, auf die sich Schröder beziehen will, beschreibt er unter dem Titel „Standardtheismus“ als die Annahme der Existenz eines transzendenten Wesens, das mit den Eigenschaften „allmächtig“, „allwissend“ und allgütig“ ausgestattet sei.

Der erste Einwand ist der Vorwurf des Dogmatismus, also der Atheismus sei dogmatisch in dem Sinne, dass er seine Position als Wissen ausgebe. Auch wenn der Agnostizismus nicht unter diesem Verdacht des Dogmatismus steht, wird er von Schröder zurückgewiesen, da es keine Pattsituation zwischen Theismus und Atheismus gebe. Stattdessen bemüht er das „Präsumptionsprinzip“, das fordert, eine starke Annahme zurückzuweisen, solange sie nicht mit „durchschlagenden Argumenten“ (was immer das auch sein mag) erwiesen sei. Die Beweislast wird dem Theisten zugeschrieben, der mangels Beweises grundlos, irrational glaube oder Atheist werden müsse. Illustriert wird das durch Bertrand Russels „Teekannen-Argument“, das die Behauptung der Existenz einer extraterrestrischen Teekanne gleich wahrscheinlich der Existenz Gottes sieht, so dass beide Behauptungen gleich zweifelhaft sind und zur Annahme der Gegenthese führen müssten. Zuletzt fügt Schröder hier noch das „Argument aus dem Unglauben“ an, bei dem, analog zu dem Theodizeeproblem, Gott den Glauben anstelle des Guten will und daraufhin einen Widerspruch zwischen der Allmacht Gottes und tatsächlich verbreitetem Unglauben diagnostiziert.

Einem weiteren Einwand, dem Vorwurf, der Atheismus basiere auf einem materialistischen Weltbild, hält Schröder die Vielfalt der Weltbilder von Atheisten entgegen.

Schröder räumt ein, dass bei Erklärungslücken, z. B. bezüglich der Feinabstimmung des Kosmos (fine-tuning), der Atheismus die Möglichkeit einer ordnenden, intelligenten Ursache einräumen müsse. Diese Ursache könne, angesichts des Übels in der Welt, aber nicht mit Güte ausgestattet sein und genüge damit nicht dem Standardtheismus.

Bei den Einwänden, der Atheismus sei politisch motiviert und eine verbindliche Moral ohne Gott nicht denkbar, führt Schröder den Leser in die Abgründe von Spekulationen, die weiterspinnen, wenn Gott in seiner Allmacht willkürlich Regeln erlassen und ändern dürfe. Er kommt zu dem Schluss, dass dann kein moralischer Grundsatz bleibende Geltung beanspruchen könnte.

Im fünften Kapitel setzt sich Schröder mit „alternativen Gotteskonzeptionen“ auseinander. Er meint, Abweichungen von dem eingangs definierten „standardtheistischen Gottesbegriff“ seien allein dadurch motiviert, sich gegen die atheistische Kritik (insbesondere die Theodizee) zu immunisieren.

Bei der im Titel erwähnten Frage geht es darum, ob der Atheismus gegenüber dem Theismus, hier explizit dem Christentum, mit Verlusten verbunden sei. Gibt der Glaube „Halt im Diesseits“ und „Trost im Jenseits“? Schröder weist beides mit dem Verweis auf die Ungewissheit der Gnade Gottes sowie auf die Ewigkeit von Höllenstrafen zurück. Dies folgert er, nachdem er jede von seinem Verständnis abweichende Auffassung biblischer Texte und theologischer Tradition als nicht dem Christentum entsprechend zurückgewiesen hat.

In seinem Fazit zeigt sich, dass seine Ablehnung des Theismus im Wesentlichen auf dem „Theodizee-Argument“ bzw. seiner abgewandelten Form, dem „Argument aus dem Unglauben“, beruht. Insgesamt muss festgestellt werden, dass es Schröder nicht, wie er behauptet, um eine defensive Darstellung und Diskussion von Einwänden gegen den Atheismus geht, sondern um eine möglichst finale Abrechnung mit dem Theismus im Allgemeinen und dem Christentum im Besonderen. Dass er hierzu eine festgefügte Auffassung vertritt, was für das Christentum essentiell sei, und die Christenheit dazu verpflichten will, einhundert Jahre Bibelwissenschaft zu ignorieren, und sie auf ein bestimmtes (nichttheologisches) Verständnis theologischer Begriffe wie (z.B. Allmacht, Offenbarung, Gnade, ewiges Leben, Auferstehung) festlegen will, führt dazu, dass seine Kritik im Wesentlichen an dem, was Christen glauben, vorbeigeht.

Schröders Wunsch, eine zu seinem Atheismus konträre Position zu schaffen, die sich der vernichtenden Kritik nicht entziehen kann, erscheint offensichtlich. Symptomatisch hierfür ist die wiederholt unvollständige Übersetzung eines Zitats von Paul Tillich (im englischen Zitat ist sie vollständig), der von Gott als dem „Symbol“ dessen, was uns unbedingt angeht, spricht. Dass Schröder den Begriff „Symbol“ nicht mitübersetzt und die Position von Tillich für nichtssagend hält, zeigt, dass er zwei für das Verständnis des Glaubens an Gott wesentliche Punkte ignoriert: (1) Alle Aussagen über Gott sind Symbole, Metaphern, Modelle, die auf etwas anderes verweisen. Und: (2) Hinter den Modellen stehen Fragestellungen, die sie beantworten sollen.

Ohne die Beachtung der Frage kann ein Modell nicht verstanden werden, seine Implikationen können nicht einfach auf die Sache, auf die sie verweisen, bezogen werden. Tillich nennt die Frage, die hinter dem Glauben an Gott steht; es ist die Frage nach dem, was unbedingte Geltung beanspruchen kann. Wie die Antwort auch ausfallen mag, sie stellt einen Standpunkt dar, dem immer eine Entscheidung zugrunde liegt, über die man, wenigstens sich selbst gegenüber, Rechenschaft geben muss. Ob man an Gott glaubt oder seine Wirklichkeit bestreitet, beides verlangt nach einer Rechtfertigung. Wenn man die Wirklichkeit Gottes, als Symbol dessen, was uns unbedingt angeht, letztlich aber zur Wirklichkeit einer im Weltraum fliegenden Teekanne mutieren lässt, wie Schröder es nahelegt, wer könnte dann ernsthaft ein Theist sein?

Fünf Einwände und eine Frage
Hamburg: Meiner Verlag. 2021
118 Seiten
16,90 €
ISBN 978-3-7873-3957-0

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