Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung
Antworten auf religiöse und theologische Fragen: www.antwortenanmuslime.com

Muslime fragen - Christen antworten

www.antwortenanmuslime.com

Die Idee

In unseren Tagen finden immer mehr Begegnungen zwischen Muslimen und Christen, zwischen Kirchen- und Moscheegemeinden statt. Gemeinsame Aufgaben in Erziehung und Fürsorge, Moscheebesuche, z.B. beim jährlichen Tag der Offenen Moschee bzw. Kirchenbesuche bei entsprechenden Tagen der Offenen Kirchen, Gespräche in muslimisch-christlichen Gesellschaften, Vorträge und Diskussionen im Kontext der Politik auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene, thematischer Austausch an Akademien und Stiftungen – all dies sind Gelegenheiten, bei denen sich Christen und Muslime gegenseitig nach ihrem Glauben und ihrer Gebetspraxis befragen.

Schon der erste Petrusbrief (3,15f.) forderte die Christen auf: „Seit stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt, aber antwortet bescheiden und ehrfürchtig, denn ihr habt ein reines Gewissen…“ Aber sind wir Christen wirklich bereit, einfühlsam, achtungsvoll und adäquat Rechenschaft über den eigenen Glauben zu geben? Verfügen wir über das nötige Hintergrundwissen, was die spezifische Glaubenssicht und religiöse Sensibilität der Muslime angeht?

Es kann nicht deutlich genug betont werden, dass der Islam wesentlich auch eine Infragestellung zentraler Affirmationen des christlichen Glaubens sowie der Begriffe, die diesem Glauben Ausdruck verleihen wollen, darstellt. Religiös gebildete und überzeugte Muslime werden also vom Koran and der gesamten Tradition des islamischen religiösen Denkens und Verkündigens her durchgehend diese Infragestellung artikulieren. Dies ist stellt einen wesentlichen Teil der Sendung dar, mit der die Muslime sich beauftragt wissen. Der Koran fordert die Muslime auf, die NichtMuslime zum Islam als der „Religion der Wahrheit“ zu rufen und legt dar, in welcher Weise dieser Aufruf erfolgen soll: „Ruf zum Weg deines Herrn mit Weisheit und schöner Ermahnung, und streite mit ihnen auf die beste Art. Dein Herr weiß besser, wer von seinem Weg abirrt, und er weiß besser, wer die sind, die der Rechtleitung folgen.“ (16:125) Wenn in unserem Tagen vom Dialog die Rede ist, zitieren Muslime nicht selten diesen Vers des Koran. Er zeige, dass die Haltung des Dialogs im Koran fest verankert sei. Dabei wird nicht immer genügend beachtet, dass im zitierten Vers mit dem Wortwurzel von „rufen“ oder „einladen“ (da‘a) die Rede ist, dessen Verbalnomen da‘wa, den Aufruf bzw. die Einladung zum wahren Islam bezeichnet und das heute als technischer Begriff die das weltweite Bemühen der muslimischen Gemeinschaft benennt, den Islam global zu festigen und auszubreiten.

Vom Jahr 1974 an hatte sich eine Gruppe von Christen in Tunis in Nordafrika regelmäßig mit Prof. Robert Caspar M. Afr. getroffen, um gemeinsam der Reihe nach die Fragen nach Glaube und normativer Praxis zu erörtern, die immer wieder von Muslimen an die Christen gestellt werden. Die Gruppenarbeit mündete in die Formulierung von 13 kleinen Kapiteln. Jedes besteht aus vier Schritten: (I.) Formulierung der Fragen, wie sie die Muslime zu einem der größeren Themen stellen, dem jeweils ein Kapitel gewidmet ist; (II.) die diesen Fragen zugrunde liegende muslimische Sicht; (III.) die christliche theologische Sicht zu den anstehenden Fragen und schließlich (IV.) Anregungen für die konkrete Formulierung von christlichen Antworten auf die muslimischen Fragen. Ein Bändchen mit den 13 Kapiteln erschien zunächst in Französisch und bald darauf in leicht überarbeiteter Form in Englisch, unter dem Titel : Trying to Answer Questions (Rom: Päpstliches Institut für Islamische und Arabische Studien [P.I.S.A.I.], 1989).

Verwirklichung

Bei meiner Rückkehr nach Deutschland im Jahre 1999, nach vielen Jahren des Erlebens und des Studiums der muslimischen Kulturen sowie dem Gespräch und der Zusammenarbeit mit Muslimen in verschiedenen Regionen der christlich-muslimischen Welt, wurde mir sehr bald klar, dass bei einer Übertragung in den deutschsprachigen Raum eine gründliche Überarbeitung der Texte angesagt sei. Es gab bis dahin keine vergleichbare Publikation in deutscher Sprache. Und doch intensivieren sich seit Jahren gerade auch bei uns in Europa – und nicht zuletzt auch im deutschsprachigen Raum – die Begegnungen von Christen und Muslimen täglich. So werden auch hier in Deutschland viele Christen regelmäßig mit den Fragen der Muslime konfrontiert und der grundsätzlichen Infragestellung, die der Islam als solcher auch immer an den christlichen Glauben darstellt.

An der Katholischen Akademie in Berlin traf sich von 1999-2001 für die Zeit von fast zwei Jahren fast monatlich ein Kreis interessierter katholischer und evangelischer Christen, die allesamt schon im Kontakt mit Muslimen lebten und von daher vital an der Thematik der Texte interessiert waren. Während wir die Grundstruktur der Texte bewusst beibehalten haben, wurde ein Kapitel, das sich mit Fragen über die Gegenwart von Christen in einem fast ausschließlich muslimischen Land wie Tunis befasst, verständlicherweise in dieser deutschen Adaptation nicht berücksichtigt. Das gesamte Material wurde neu und kritisch gesichtet, modifiziert und zum Teil substantiell neu formuliert. Das Buch schien im deutschen Original unter dem Titel: Muslime fragen, Christen antworten, Verlagsgemeinschaft Topos plus, Kevelaer, 2003, durchgesehene Auflage 2004.

Adressaten

Das Buch hat einmal zum Ziel, Christen zu informieren und zu Reflexion und lernendem Verstehen von Muslimen und ihren Fragen anzuregen, zum anderen möchte es Muslimen zu helfen, die christliche Glaubenssicht aus christlicher Perspektive verstehen zu lernen. Es möchte für christliche, muslimische sowie für christlich-muslimische Gruppen eine Basis für das interreligiöse Lernen und Gespräch bereitstellen. Auf Webseiten der verschiedenen muslimischen Verbände (z. B. www.islam.de; www.ditib.de etc.) gibt es ja schon seit geraumer Zeit gute Möglichkeiten für Nichtmuslime, Antworten zu Fragen über den Glauben und die Praxis der Muslime und des Islam aus der jeweiligen Sicht der Betreiber der Homepage zu erhalten.

Mit dem Ziel, Christen und Muslimen der türkischen Sprache dieselben Möglichkeiten zu eröffnen wurde im Jahre 2004 eine türkische Übersetzung des Buches von K. K. Kaya unter dem Titel Müslümanlar soruyor, Hristiyanlar yanitliyor angefertigt und im Jahre 2004 im Istanbul publiziert. Auch diese Veröffentlichung war bald ausverkauft, so dass sie im Jahre 2007 neu aufgelegt wurde. Überraschenderweise rief das Buch in der Türkei ein mindestens ebenso großes Interesse hervor wie das deutsche Original im deutschen Sprachbereich. Wir erhielten Zuspruch und weitere Fragen von Lesern in Deutschland, der Türkei and vielen anderen Ländern. Dieser Zuspruch und die neuen Fragen kommen allem Anschein nach sowohl von Christen wie von Muslimen. Bei mancher Frage oder Zuschrift ist es in der Tat nicht schwer auszumachen, ob sie von christlicher oder von muslimischer Seite kommt. So erschien es uns vernünftig, den deutschen Originaltext und den Text in türkischer Übersetzung sowie ferner eine im Jahr 2005 in Indien publizierte englische Übersetzung ins Internet zu stellen. In dieser Weise sollte der Text des Buches potentiellen Leser und Suchende leichter erreichen und es ihnen ermöglichen, ohne Schwierigkeiten weitere Frage zu stellen und die Antworten darauf zu studieren. Der Text im Internet steht ja diskret und kostenfrei zur Verfügung und kann relativ einfach in öffentlichen Bibliotheken, Universitätsbibliotheken und Internetkaffees sowie daheim herunter geladen und auch ausgedruckt werden.

Im Jahre 2005 richteten wir zunächst eine Homepage in türkischer Sprache ein: www.islamacevaplar.com. Bald fügten wir dieser noch zwei Schwester Homepages hinzu, eine in deutscher Sprache: www.antwortenanmuslime.com und eine in englischer Sprache: www.answers-to-muslims.com.

Bisherige Resultate

Die türkische Homepage ist bis dato (31. 12. 2007) 199.000 verschiedene Seitenbesucher gehabt. Aus den zahlreichen Fragen, die uns per Internet erreicht haben, wurden bisher 166 beantwortet. Die meisten dieser Antworten beschränken sich nicht darauf nach Art des berühmten früheren 10 Pence Catechism der Catholic Truth Society, London, auf jede kurz formulierte Frage ein bis zwei Sätze lange Kurzantworten zu geben, sondern es wird versucht, die Frage und die Antwort im dem weiteren Kontext zu platzieren aus dem eine bestimmte Frage kommt und in den die entsprechende Antwort gehört. Die relative Bedeutung der Frage soll deutlich werden und die Antwort versucht, die jeweilige Frage im Gesamt der Symmetrie der christlichen Glaubenslehre zu verorten. So soll dem Fragenden dabei geholfen werden, eine breite und ausgewogenen Sicht des katholischen Glaubens zu erlangen. Auch wird versucht, so weit möglich die Antworten vom Text der Bibel her, aus dem Schatz der Schriften der Kirchenväter sowie aus Texten offizieller und offiziöser Texte der Kirche (wie z.B. Konzilientexte, Enzykliken, Katechismen, Texte der Bischofskonferenzen) zu geben. Der Fragende sollte vor allem mit den relevanten, allgemein akzeptierten Dokumenten des katholischen Glaubens bekannt gemacht werden. Die neuen Fragen und die Antworten darauf werden in der chronologischen Folge ihrer Ankunft bei uns numerisch aufgelistet. Ein thematischer Index ermöglicht es dem Fragenden, frühere Fragen und Antworten zu bestimmten Bereichen der christlichen Sachkunde sowie der Glaubens- und Morallehre zu finden. Die im Index aufgelisteten Themenbereiche sind:

1. Glaube und Wissen - Offenbarung - Heilige Schrift

2. Die Gottheit Jesu und die Inkarnation

3. Kreuz - Sünde - Erlösung

4. Muhammad - Prophet: auch für Christen?

5. Gott, der Dreieine

6. Kirche - Sakramente - Marien- und Heiligenverehrung

7. Die Heilige Eucharistie

8. Gebet - Anbetung

9. Geistlich und Weltlich

10. Die Berufung des Christen (Ehe, Gottgeweihte Ehelosigkeit)

11. Die Vielzahl der Religionen und die Religionsfreiheit

12. Die Mitte des Christentums

13. Tod - Gericht - Ewiges Leben

14. Christliche Ethik und Soziallehre

15. Verschiedenes

Von Anfang an erhielten wir Zuschriften von den Benützern unserer Homepage. Einige brachten einfach ihren Dank für die Möglichkeit zum Ausdruck, mittels unserer Seiten nun leicht und in Antwort auf spezifische Anfragen authentisch katholische Information erhalten zu können. Ein Professor, der an der Fakultät für Islamische Theologie der Staatsuniversität Samsun in der Türkei doziert, Prof. Dr. Mehmet Aydin, schrieb uns vor etwa einem Jahr, er werde im akademischen Jahr 2006/2007 ein reguläres Seminar für Theologiestudenten an seiner Fakultät halten. Im Kontext des an der Fakultät allgemein vorgeschriebenen Kurses über das Christentum (im Rahmen der Sektion: Geschichte der Religionen) würden nicht wenige Studenten unsere Homepage regelmäßig konsultieren. Er wolle nun in seinem Seminar mit diesen Studenten Fragen und Antworten unserer Homepage ausführlich und systematisch diskutieren und kritisch vertiefen.

Ein Blick auf den Thematischen Index zeigt gleich, dass die größte Zahl von Fragen die christliche Lehre über Gott betreffen, die Lehre von der Einheit Gottes , der Dreieinigkeit sowie der Menschwerdung des Wortes Gottes in Jesus von Nazareth. Die zweitgrößte Gruppe von Fragen betrifft das christliche Verstehen und die christliche Auslegung einzelner Verse oder Textabschnitte der biblischen Schriften des Alten und Neuen Testaments, wobei nicht selten auch Fragen der Entstehen der biblischen Texte sowie des Kanons der biblischen Schriften, der Authentizität des so genannten Barnabasevangeliums sowie apokrypher Schriften wie des Thomasevangeliums betreffen. Darauf folgen, nach Anzahl der Anfragen betrachtet, Fragen bezüglich der Erlösung, der Kirche und der Sakramente, ethische und sozialethische Lehren und, schließlich, Fragen darüber, was die Mitte und den Kern der christlichen Botschaft ausmache.

Ein weiterer, komplementärer Ansatz

Ich möchte mit der Erwähnung eines weiteren, komplementären Ansatzes für den Dialog mit Muslimen und dem Islam schließen. Unsere Homepage eröffnet Muslimen die Möglichkeit, Fragen an uns über Punkte der christlichen Lehre und des christlichen Lebens zu richten, die sie besser verstehen möchten. Die Fragen und Antworten werden Christen hoffentlich helfen, Fragen zu stellen und Antworten darüber zu finden wie sie in Antwort auf Anfragen von Muslimen und auf implizite und explizite Kritik von Muslimen an christlichen Lehren am besten Rechenschaft von ihrem Glauben geben können. Ebenso wichtig and potentiell fruchtbar erscheint ein Nachdenken darüber zu sein, was wir davon zu lernen haben, wie unser Glaube von Muslimen gesehen wird. Ein kürzlich publizierte Broschüre von Dr. Rev. David Marshall geht in überzeugender Weise auf diesen besonderen Aspekt ein und zeigt uns seine Bedeutung und Fruchtbarkeit im Hinblick auf unsere theologische Reflexion angesichts des Islam. Freilich werden auch Muslime spürbar vom Studium dieser Fragen und von dieser Fragestellung profitieren. Sie könnten durchaus versucht sein, auf analoge Fragestellungen im Kontext des islamischen Denkens in seinem Gegenüber mit dem Christentum heute einzugehen.