Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Alexander Schmemann: Zur Freiheit berufen

Dieser kleine Band mit Ansprachen des orthodoxen Priesters und Theologen Alexander Schmemann (1921-1983) stammt aus einer Zeit vor dem Internet, als er noch mit dem gesprochenen Wort über Radiosendungen die Menschen hinter dem Eisernen Vorhang erreichte und die stärkende Botschaft der Freiheit verbreitete, einer echten positiven Freiheit, die aus der Hinwendung zu Wahrheit, Wert und Liebe kommt. Schmemann, der als Kind russischer Eltern in Estland aufgewachsen ist, damals Teil der Sowjetunion, dann in Frankreich studierte und lehrte, erhielt 1951 einen Ruf an das St. Vladimir’s Orthodox Theological Seminary in New York, das er ab 1962 leitete, und wurde einer der einflussreichsten orthodoxen Theologen der USA. Als Beobachter nahm er am Zweiten Vatikanischen Konzil teil. Neben seinen Aufgaben als Priester und Dozent hielt er über 30 Jahre lang in seiner russischen Muttersprache auf Radio Liberty Ansprachen für Hörer im kommunistischen Machtbereich, die unter anderemAlexander Solschenizyn hörte, der nach seiner Emigration ein Freund Schmemanns wurde. Eine Auswahl dieser Ansprachen mit einem Vorwort von Holger Zaborowski hat nun der Johannes Verlag herausgegeben.

Was können uns diese an ein russisches Publikum gerichteten Texte aus der Zeit des Kalten Krieges noch sagen, wird man fragen, waren die damit angesprochenen Menschen doch ihrer äußeren Freiheit beraubt, und wir sind es ja nicht. Nimmt man das Bändchen zur Hand, wird schnell klar, dass die darin vermittelte Freiheitsbotschaft eine für den inneren Menschen ist, die uns noch heute uneingeschränkt angeht. So ist der Titel „Zur Freiheit berufen“, den man dem Band gegeben hat, klug gewählt. Beraubt sind wir nämlich auch heute unserer Freiheit, wenn wir uns einem Menschenbild unterwerfen, nach dem wir ausweglos von äußeren, uns determinierenden Faktoren gesteuert sind, wie es ein Mainstream materialistisch-physikalistischer Wissenschaftler allenthalben in populärwissenschaftlichen Sendungen und Feuilletons propagiert. Es beraubt uns mit der inneren Freiheit zugleich unseres Glücks, denn das kommt aus dem Sinn, den wir in der freien Hinwendung zu höheren Werten der Mitmenschlichkeit und letztlich in Gott finden. Erst wenn wir dies wiederentdecken und wieder sehen, dass über der Welt „der Abglanz des letzten Wahren, Guten und Schönen“ erstrahlt, gelingt der Ausbruch aus der „nackten toten Wüste“ der Sinnleere.

Diese wiederzugewinnende innere Freiheit ist keine negative, die alles ablehnt, was uns bestimmt und uns selbst zum alleinigen Herrn über uns selbst setzen will. Sie ist positive Freiheit, sie ist „Erfülltsein des Menschen mit etwas“. Eine solche an der Freiheit Christi orientierte Freiheit strebt in ihrer höchsten Form nach der Selbsthingabe in Liebe, die letztlich sogar das Selbstopfer als „höchsten Akt der Freiheit“ nicht scheut.

Unseren woken Theologen, die behaupten, der „Markenkern“ der katholischen Kirche sei die „Missachtung der Frau“, müssen die Ohren klingeln, wenn Schmemann im letzten Teil dieser Sammlung von Radioansprachen ausführlich auslegt und begründet: „In einem sehr tiefen Sinn ist das Christentum eine Hymne an die Frau und an das Weibliche in der Welt.“ Auch hier kommt wieder das Motiv der wahren inneren Freiheit zum Tragen, denn die im Ursprung erhabene Liebe zur Frau, auf die der Mann hingeordnet ist, kann durch missbrauchte Freiheit entstellt werden. Die Bedeutung der Beziehung zwischen Mann und Frau wird unterstrichen durch die vielfältigen Vergleiche, die in der Heiligen Schrift zwischen der Ehe und der Beziehung von Gott zur Menschheit gezogen werden.

Ein Bändchen also, dass mit seiner eindringlichen und klaren Sprache als ein Vademecum für ein sinnerfülltes christliches Leben gerade in unserer heutigen Zeit dienen kann.

Neue Kriterien 24
Freiburg: Johannes Verlag Einsiedeln. 2022
109 Seiten
14,00 €
ISBN 978-3-89411-460-2

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