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Alfred J. Noll: Ewiger Friede oder ewiger Krieg?
Alfred Noll (*1960) ist Professor für öffentliches Recht und Rechtslehre in Wien. Er war von 1987 bis 1989 Mitglied des Nationalrates für die Partei „Jetzt“, die sich für Umverteilung von oben nach unten, eine andere Flüchtlingspolitik, Liberalisierung des Cannabiskonsums und der Sterbehilfe einsetzte, bevor sie sich 2020 auflöste.
Als Hintergrund seiner Auseinandersetzung mit Kants Friedensschrift führt Noll im ersten Kapitel in Kants Konzept der „Transzendentalphilosophie“ ein. Dabei bettet er Kants „Trennung von Natur und Geist“ in die Trends des ausgehenden 18. Jahrhunderts ein und vergleicht vor allem mit Lessing und Herder.
Das Hauptanliegen des Buches ist die Auseinandersetzung mit Kants Schrift „Zum ewigen Frieden“, die Noll gerade heute wichtig findet, da „Irrationalität regiert“ (Michael Mann). Noll konfrontiert den Fortschrittsoptimismus der Aufklärung, den Kant teilt, vor allem mit Kritik aus dem politisch linken Spektrum, zusammengefasst durch Jürgen Habermas, der gegen Kants Friedensschrift drei Einwände geltend macht: die Republik sei nicht per se ein Friedensprojekt, der „Handelsgeist“ keine vergemeinschaftende Kraft und politische Öffentlichkeit nicht zwingend ein Weg zur informierten Eigenständigkeit des Einzelnen.
So scheint sich bei allem technischen Fortschritt menschlich Wesentliches nicht verändert zu haben, wie Noll mit Berufung auf Burkhard Tuschling schildert: Wer einer Partei als Verbrecher gilt, wird von der anderen als Held und Märtyrer geehrt; die aktuellen Konflikte im Nahen Osten und der Ukraine funktionieren gerade nach diesem Muster. Dennoch kann nach Ansicht Nolls Kant auch heute Wege weisen durch seine universalistische Geschichtsauffassung, durch seinen Kampf gegen die Lüge und als Anleitung zur Auslotung der Bedingungen der Möglichkeit humaner Weltgestaltung.
Der Einsatz für die von Kant projektierte Transformation des Naturzustandes in einen Rechtszustand zwischen den Staaten scheint angesichts der realen Konflikte wenig erfolgreich; davon aber – zum Beispiel im Gefühl moralischer Überlegenheit –wegzugehen, bringt den Frieden nicht näher.
Alfred Nolls Buch ist keine ganz einfache Lektüre; vor allem im Kapitel über die Transzendentalphilosophie übertrifft er gelegentlich noch die von Kant eingestandene Komplexität seiner Sprache. Wer sich der Mühe des Lesens unterzieht, kann einiges lernen anhand der Querverbindungen und Gegenüberstellungen, die Noll entfaltet.
Wider die „unvertragsame“ Selbstsucht der Menschen
Reflexionen zu Immanuel Kant
Wien: bahoe books. 2024
142 Seiten
19,00 €
ISBN 978-3-903478-23-7