Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Andreas Nachama / Walter Homolka / Hartmut Bomhoff: Basiswissen Judentum

Mit einem Geleitwort von Rabbiner Henry G. Brandt

Basiswissen Judentum ist ein umfassendes Sachbuch, das in viele Bereiche des Judentums einführt. Es besteht aus fünf Kapiteln, welche die Lehre, das Leben, die Gebote, die Geschichte und den Dialog behandeln. Das erste Kapitel – Die Lehre - (1.1) beginnt gleich mit der zentralen Frage: Wer ist Jude? Die Verfasser legen dar, dass die matrilineare Abstammung (oder Konversion) nicht immer die alleinigen Kriterien sein müssen. In 1.2 wird das jüdische Gottesbild in Verbindung mit dem Bilderverbot erörtert, und Nichtjuden erfahren, warum das Tetragramm, der vierbuchstabige Name Gottes, nicht ausgesprochen werden darf. Für viele Leser wird es sehr hilfreich sein, dass der Inhalt der fünf Bücher der Tora sowie die Prophetenbücher in 1.3 kurz skizziert werden. Weiter wird dargelegt, warum die hebräische Bibel als Tanach bezeichnet wird. Der Talmud (die Lehre), neben der Tora das zweite heilige Buch, und die sich daraus ergebende Halacha (wörtl. Weg, d.h. Religionsgesetz) werden in 1.4 erörtert. Der Leser erfährt, dass die Mischna (von der Wurzel schana = wiederholen) die mündliche Lehre ist, welche zusammen mit der Tora, der schriftlichen Lehre, von Moses auf dem Sinai empfangen wurde. Die Mischna, zunächst nur mündlich tradiert, wurde erst um 200 u. Z. schriftlich zusammengefasst. Zusammen mit der Gemara, der Erläuterung der Rabbinen, bildet sie den Talmud. Dass es zwei Talmudim, den Babylonischen und den Palästinischen, gibt, dass die Mischna in Hebräisch und die Gemara in Aramäisch ist, und dass inhaltlich zwischen Halacha und Aggada unterschieden wird, ist in diesem Kapitel, auch für Außenstehende, sehr verständlich beschrieben.

Im zweiten Kapitel – Das Gebet – werden die Hauptgebete des Judentums, wie Amida, Kaddisch und Schmaʿ Jisrael, nicht nur besprochen, sondern komplett in Übersetzung wiedergegeben, so dass der Leser sich auch mit dem Inhalt vertraut machen kann. Er erfährt ferner, warum man einen Minjan (zehn mündige Juden) braucht, um einen Gottesdienst abhalten zu können, und warum man Tallit (Gebetsschal), Kippa (Kopfbedeckung) und Tefillim (Gebetsriemen) trägt. Dass der Schabbat der Ruhetag und Feiertag ist, an welchem keinerlei Arbeit getan werden darf, ist hinlänglich bekannt, jedoch kennen Nichtjuden selten die Schabbatvorschriften, welche ebenfalls in 2.1 vorgestellt werden. Das gleiche gilt auch für Kabbalat Schabbat, dem Freitagabendgottesdienst, mit dem der Schabbat empfangen wird. Dessen Verlauf wird in 2.3 genau beschrieben. Anhand der übersetzten Gebete erhält der Leser einen sehr guten Überblick und kann ohne Schwierigkeiten an einem Gottesdienst teilnehmen. 

Um die jüdische Welt verstehen zu können, ist es notwendig, Kenntnisse zu haben über die Bedeutung und Symbolik der verschiedenen Feste. Dieser Thematik widmen sich die Verfasser in 2.7, wobei die Schwerpunkte auf Pessach und Yom Kippur gelegt wurden. Das steht in Zusammenhang damit, dass der bedeutendste Aspekt des Pessachfestes, der Auszug aus Ägypten, als Gründungsdatum des Bundes Gottes mit seinem Volk betrachtet wird. Im Zentrum des Festes steht die häusliche Feier, der Sederabend (Seder = Ordnung), welcher hier ausführlich beschrieben wird. Ebenso die Liturgie des Yom Kippur, des Versöhnungstages, welcher der wichtigste Feiertag im jüdischen Kalender ist. Der Lebenskreis, angefangen von der Geburt, der acht Tage späteren Beschneidung (Brit Mila), der religiösen Mündigkeit (Bar Mitzwa / Bat Mitzwa), der Eheschließung bis hin zum Tod, den Trauerzeiten und Jenseitsvorstellungen, wird in 2.8 und 2.9 behandelt.

Das dritte Kapitel – Die Gebote – gibt einen Einblick in den jüdischen Haushalt. Was ist eine Mesusa, wo und wie bringt man sie an (3.2), welche Speisevorschriften gibt es im Judentum (3.3) und warum sind sie so wichtig? Der Stellung der Frau und den rituellen Einschränkungen widmet man sich in 3.5 und in 3.6 wird die Haltung zur Homosexualität thematisiert.

Das vierte Kapitel – Die Geschichte – enthält einen chronologischen Überblick angefangen von der Ererbung Israels bis zum jüdischen Leben in Deutschland und in den USA nach der Schoa. Es informiert über den politischen Zionismus, über das jüdische Aufbauwerk in Palästina bis hin zur Staatsgründung Israels 1948. Dass die Geschichte der jüdischen Einwanderung (Alija) von 1882 bis 1939 immer im Zusammenhang mit Pogromen stand, wird von den Verfassern sehr gut herausgestellt. Anhand dieser Abhandlung wird deutlich, wie wichtig für Juden die Gründung eines jüdischen Staates war. Aber auch die Vielfalt jüdischer Lebensformen in der Diaspora wird erörtert, wobei das „Goldene Zeitalter“ in Spanien mit den Dichtern und Philosophen Gabirol, Ha-Levi und Maimonides eine besondere Berücksichtigung findet. Die jüdische Mystik, die Kabbala, geht zwar auf die talmudische Zeit zurück, wurde aber erst in der frühen Neuzeit von der jüdischen Bevölkerung rezipiert (4.4). Neben den Lehren werden auch die beiden wichtigsten Bücher, das Buch Bahir (Glanz) und das umfangreiche Buch Zohar (Lichtglanz), anschaulich vorgestellt und kommentiert. Ausgehend von der Aufklärung (Haskala) und der Entstehung der Wissenschaft des Judentums (4.7) über die Juden in der Weimarer Republik (4.8) gelangt der Leser zum dunkelsten Kapitel des Judentums, zum „Dritten Reich“ (4.9) und der Schoa (4.10). Dass hier Dokumente präsentiert werden, welche von bekannten jüdischen Persönlichkeiten stammen, macht diese historische Abhandlung besonders wertvoll, zumal auch die jüdische Reaktion auf die Schoa ebenfalls thematisiert wird.

Das letzte Kapitel – Im Gespräch – behandelt die Begegnungen mit Christen (5.1) und Muslimen (5.2). Angefangen von den sogenannten „Adversus Judaeos-Texten“, die bereits im 4. Jh. greifbar werden (5.1.1), über die Haltung der Reformatoren Luther und Calvin (5.1.3) bis hin zu den Stellungnahmen der Kirchen nach der Schoa und dem großen Wandel innerhalb der jüdisch-christlichen Beziehung (5.1.4 - 5.1.6). Mit den Gemeinsamkeiten zwischen Judentum und Islam (5.2.1) und den Anfängen der modernen Koranwissenschaft, die auf Abraham Geiger zurückgeht, sowie der Vision der interreligiösen Begegnung endet dieses Buch.

Daran schließt sich ein umfangreiches und für nichtjüdische Leser sehr nützliches Glossar an sowie Literaturempfehlungen, ein Service-Teil und ein Register. Was dieses Buch einzigartig macht und vor anderen Einführungen auszeichnet, ist die Fülle der Vermittlung eines breit angelegten Basiswissens. Da es von den Verfassern sehr verständlich präsentiert wird, ist es quasi ein Schulchan Aruch, ein gedeckter Tisch, der aber nicht nur Gesetze, sondern allgemein eine große Wissensfülle enthält. 

Freiburg: Herder Verlag. 2015
685 Seiten m. s-w-Abb.
40,00 €
ISBN 978-3-451-32393-5

 

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