Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Andreas Obenauer: Reli für Jungs

Didaktische Impulse für einen jungengerechten Religionsunterricht

Jungen werden häufig vom Religionsunterricht nicht so angesprochen und mitgenommen, wie es möglich wäre. Das ist eine Erfahrung, der Andreas Obenauer – evangelischer Pfarrer und Schuldekan – etwas entgegensetzen möchte. Ausgehend von einer Pädagogik der Vielfalt (Annedore Prengel) skizziert er Etappen der Diskussion um Geschlechtergerechtigkeit und Jungenpädagogik zwischen Anti-Sexismus und Konstruktivismus, erinnert die biblische und theologische Wahrnehmung beider Geschlechter und entwickelt daraus die Position eines geschlechtersensiblen Religionsunterrichts, der an Stärken von Jungen ansetzt. Ziel ist dabei nicht die Verfestigung von männlichen und weiblichen Stereotypen, sondern die Eröffnung von Freiräumen, um in der Vielfalt möglicher Weiblichkeiten und Männlichkeiten den jeweils eigenen Weg zu finden. Dazu will er neben Wahrnehmungshilfen vor allem Praxisanregungen liefern.

Jungengerecht ist für Obenauer ein Religionsunterricht, der an klassischen Rollenmustern und Stärken wie Kraft, Energie, Bewegung, Wettbewerb, Risikobereitschaft, Körpereinsatz, handwerkliches Geschick, Technik etc. ansetzt und zunächst darauf bezogene didaktische Einheiten entwickelt und bewusst einsetzt. Von dieser sicheren Basis ausgehend, könnten dann weitere Methoden zum Einsatz kommen, welche eben diese gängigen Rollenmuster erweitern um z.B. Sprachfähigkeit, Empathie, Achtsamkeit, Stille und eine religiöse Ausdruckskompetenz.

Das ist in Vielem gar nicht so neu. Es sind die klassischen Männergestalten der Bibel wie Jakob, Josef, David, Petrus, aber auch Heilige und Vorbilder wie Martin von Tours, Franz von Assisi, Martin Luther oder Dietrich Bonhoeffer. Es geht um die Differenzierung von Gottesbildern, das Eingehen auf das Böse, um Kritik und Grenzerfahrungen. „Jungengerecht“ werden diese Themen vor allem durch die Beachtung der „Ästhetik“ des Unterrichts. Welche Bilder, Materialien, Symbole und Methoden kommen zum Einsatz? Welche körperlichen und sprachlichen Inszenierungen finden statt? Wie kommen überhaupt jungengemäße Methoden vor? Habe ich als Lehrkraft dafür ein Gespür?

Vor allem für Grundschule und Sekundarstufe 1 liefert Obenauer ein umfangreiches Methodenarsenal für einen Unterricht, der Räume für Wettkampf, Bewegung, Technik, praktisches Tun, Sich-in-Szene-Setzen oder kritische Auseinandersetzung schafft und nutzt. Er ergänzt um Methoden, die Sprachfähigkeit und Empathie, Ausdruckskompetenz, Achtsamkeit und Kooperation fördern. Hier liegt sicherlich eine Stärke dieses Buches, das sich um weiteres Material zum Download im Internet ergänzen lässt. Ob das Buch nun „nur“ zu einem etwas geschulten, sensiblen Blick auf Verhaltensweisen und Bedürfnisse von Jungs im geschlechtergemischten Unterricht anregt oder gar – wie es Obenauer vorschlägt – einen auf Zeit reinen Jungenunterricht durch Kooperation zwischen evangelischen und katholischen Kolleginnen und Kollegen (phasenweise, projektartige Zusammenlegung der Konfessionen und dadurch ermöglichte Trennung nach Geschlechtern auf Zeit) anregt, das liegt sicherlich in der Situation und Kompetenz der jeweiligen Lehrkräfte.

Wohltuend finde ich zwei Aspekte: Obenauer warnt vor einem Aufgreifen der sog. „archetypischen“ Bilder von Männlichkeit wie dem Krieger oder dem Liebhaber – das findet gerne in der kirchlichen Männerarbeit statt – und versteht sein Buch als Anregung und Wahrnehmungshilfe. Als Erwachsenenbildner mit Männerschwerpunkt habe ich nur eine eingeschränkte Kompetenz, die schulische Praktikabilität der vorgeschlagenen Methoden zu beurteilen. Vom pädagogischen Ansatz her möchte ich es uneingeschränkt empfehlen – für Pädagoginnen wie für Pädagogen und in der Katechese außerhalb der Schule! Auch wegen dieses Zieles, mit dem Obenauer an aktuelle pädagogische Debatten um Geschlechtergerechtigkeit anschließt: „So zielt ein jungengerechter Religionsunterricht paradoxerweise gerade darauf, dass die Kategorie ‚Junge‘ für religiöse Lernprozesse immer mehr an Bedeutung verliert und einem religiösen Lernen weicht, das dem individuellen Weg des einzelnen Kindes und des einzelnen Jugendlichen in seiner Gottsuche zentrale Bedeutung zukommen lässt.“

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 2014
112 Seiten
17,99 €
ISBN 978-3-525-77680-3

 

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