Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Ansgar Wucherpfenning: Wie hat Jesus Eucharistie gewollt?

Nach der dogmatischen Konstitution über die Kirche (Lumen Gentium 11) ist die Eucharistie „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“. Ihr kommt im kirchlichen Leben und in kirchlicher Lehre ein nicht zu unterschätzender Stellenwert zu. Bis zur Beschreibung der Eucharistie durch das 2. Vatikanum in Lumen Gentium 11 hat das eucharistische Mahl vielfältige Entwicklungen durchlaufen, verdankt sich aber ursprünglich jüdischer und hellenistischer Mahltradition, die von Jesus aufgenommen wurde und im Laufe der Kirchengeschichte ihre heutige Gestalt angenommen hat.

Ansgar Wucherpfenning, Professor für Exegese des Neuen Testaments an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen, fragt in der hier zu besprechenden Publikation provokativ: Wie hat Jesus die Eucharistie gewollt? Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist der Frankfurter Ökumenekreis, dessen Mitglieder der Frage nachgingen, was Eucharistie bzw. Abendmahl für jeden und jede aus dem Kreis bedeutet. Der Verfasser macht darauf aufmerksam, dass seine Ausgangsfrage ein Anachronismus ist, da das Wort Eucharistie bei Jesus nicht vorkomme; trotzdem verdanke sie sich seinem Gründungsimpuls. Die Eucharistie selbst sei nachösterlich, aber ohne die Mahlpraxis Jesu nicht möglich. Bei seinen Ausführungen greift Wucherpfenning wesentlich auf zwei Werke zurück: Auf das Sacred-Meal-Projekt (Dieter Sänger/David Hellholm [Hg.]: The Eucharist – Its Origins and Contexts. Sacred Meal, Communal Meal, Table Fellowship in Late Antiquity, Early Judaism, and Early Christianity, 3 Bde. [WUNT 376], Tübingen 2017) und Gottfried Bachls Monographie zur Eucharistie (Eucharistie. Macht und Lust des Verzehrens, St. Ottilien 2008), die an mehreren Stellen zitiert wird.

Im Einleitungskapitel geht der Verfasser näher auf den Anlass des Buches ein und gibt erste biblische und liturgische Hinweise zur Eucharistie. Die Kapitel 1 bis 5 präsentieren kanonische, außerkanonische und frühchristliche Texte, die unter dem Gesichtspunkt ihres Eucharistieverständnisses befragt werden. Wucherpfenning beginnt im 2./3. Jh. n.Chr. und arbeitet sich bis zur Mahlpraxis Jesu vor. Kapitel 1, das u.a. die Traditio Apostolica, Philo von Alexandrien, Hegesipp und Philippus-Akten zu Wort kommen lässt, verweist auf die asketischen und vegetarischen Aspekte frühchristlicher Eucharistiepraxis. Kapitel 2 widmet sich den Mahlbildern der Offenbarung des Johannes. Kapitel 3 führt von der Didache und ihren Gabengebeten zu den Gabengebeten der katholischen Eucharistie nach dem 2. Vatikanum. Dabei wird auch auf den Opferbegriff in der Eucharistie eingegangen. Kapitel 4 deutet die Beschreibungen des letzten Abendmahls bei Paulus und den Synoptikern. Und Kapitel 5 legt die Emmausperikope und ihr Eucharistieverständnis aus.

Besonderes Augenmerk sollte man m.E. aber dem letzten Kapitel widmen, denn hier hat man – so war zumindest mein Eindruck – den O-Ton des Autors in konzentrierter Weise vor sich. Wucherpfenning kehrt gedanklich zum Ökumenekreis zurück und verdeutlicht, dass sich aus dem Gründungsimpuls Jesu eine Fülle von Erscheinungsformen eucharistischen Feierns in den einzelnen Konfessionen entwickelt habe. Er schreibt: „Ihre Vielfalt enthält daher Elemente von Komplementarität und regt dazu an, auch in den jeweils anderen Formen die kirchliche Eucharistiefeier als wahrhaft bewahrt wiederzuerkennen. Ihre Einheit haben die Feiern des Sakraments der Eucharistie und des Abendmahls durch ihre gemeinsame Ausrichtung auf das kommende Jerusalem.“ (109f). Neben diesem ökumenischen Impuls geht der Verfasser auch auf die Rolle von Laien (besonders von Frauen) beim Mahlsakrament und dem Vorbild der Eucharistie für einen verantwortungsvollen Umgang mit Nahrungsmitteln ein. Seine Studie beendet der Verfasser mit dem Bild von der Eucharistie als vorweggenommenes Mahl der geretteten Menschheit, die auf dem „Weg in Gottes Welt der Gerechtigkeit“ (118) ist.

Ansgar Wucherpfennings Buch ist eine gut lesbare und verständliche Auseinandersetzung mit den frühchristlichen Texten zur Eucharistie. Wichtige Gedanken seiner Ausführungen sind kursiv gesetzt, theologische Fachbegriffe werden in Klammern erläutert oder übersetzt. Die Anmerkungen sind als Endnoten auf das Nötigste reduziert; in den Endnoten findet sich die weiterführende und verwendete Literatur, die nicht extra in einem Literaturverzeichnis ausgewiesen wird.

Ein Blick zurück nach vorn
Ostfildern: Patmos Verlag. 2021
128 Seiten
15,00 €
ISBN 978-3-8436-1302-6

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