Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Benjamin Dahlke / Cornelia Dockter / Aaron Langenfeld (Hg.): Christologie im Horizont pneumatologischer Neuaufbrüche

 

Das Dogma von der Dreifaltigkeit stellt die Grundlage des christlichen Glaubens dar. Dabei ist die Lehre von der Trinität als solcher (trinitas immanens) nur sinnvoll, um die Selbstmitteilung Gottes an uns („ökonomische Trinität“) auszusagen: Die Offenbarung Gottes besteht darin, uns Anteil an seinem dreifaltigen Leben zu geben. Die Menschen bekommen durch das sie in Anspruch nehmende Wort Gottes, das in Jesus Fleisch geworden ist (vgl. Joh 1,14), „im Heiligen Geist Zugang zum Vater“ (vgl. Vat. II, DV 2). Das Wort Gottes wird im Glauben als Wort Gottes erkannt, wobei der Glaube selbst Frucht des Heiligen Geistes ist. Glaube ist nicht Leistung des Menschen, sondern Gabe Gottes.

Den hier nur angedeuteten komplex-komplizierten Zusammenhängen von Christologie und Pneumatologie im Kontext der Trinitätstheologie gehen die zwölf Autoren dieses Sammelbands nach. Durchaus „interkonfessionell“ (neun katholischer, drei evangelischer Provenienz), weniger „transdisziplinär“ (bis auf eine Ausnahme stammen sämtliche Beiträge aus der systematischen Theologie) wird hier „nach produktiven Verstehensansätzen des Zusammenhangs von Christologie und Pneumatologie gefragt.“ (7f.)

Bernd Jochen Hilberath macht den Aufschlag. Anstelle einer Einleitung ins Thema sorgt er für Problembewusstsein und Perspektivenwechsel. Sodann kommt unter der Überschrift „Das 20. Jahrhundert als Achsenzeit pneumatologischer Neuaufbrüche“ zunächst Ursula Schumacher (geb. Lievenbrück) zu Wort. Ebenso kenntnisreich wie sorgfältig reflektiert sie die „pneumatologischen Entwicklungen in der katholischen Charitologie und Soteriologie des 20. Jahrhunderts“. Zu Recht schöpft sie dabei immer wieder aus ihrer preisgekrönten Habilitationsschrift, die vom „Donum supernaturale und der Selbstmitteilung Gottes“ handelt. Die evangelische Perspektive macht sodann Hans-Peter Großhans stark, der „neuere Ansätze in der evangelischen Pneumatologie“ zu benennen weiß, die in der Tat einer Geistchristologie das Wort reden, die alle Beachtung verdient. Benjamin Dahlke, der zurzeit an der Eliteuniversität Notre Dame, IN/USA, lehrt, verweist indes auf jene christologischen Grundlagen, die auf dem Konzil von Chalcedon (451) artikuliert und definiert wurden. Die Frage ist doch in der Tat: Wie die entscheidende Aussage der sogenannten „Zwei-Naturen-Lehre“ des Konzils von Chalcedon mit ihrem harten Kern der hypostatischen Union, die ja darin gipfelt, dass in Jesus Gottsein und Menschsein weder voneinander zu „trennen“ noch miteinander zu „vermischen“ seien, zu verstehen ist; „denn je nachdem, wie man sich diesbezüglich positioniert, ergeben sich recht unterschiedliche Entwürfe“ von Christologien (91).

Unter der Überschrift „Christus und der Geist“ werden im zweiten Kapitel (95-204) zunächst die „neutestamentlichen Denkansätze zu einer christusbezogenen Pneumatologie“ (Eve-Marie Becker) und aus fundamentaltheologischer Perspektive das Verhältnis von Vernunft und Glaube bzw. von „Offenbarung und freier Vernunft“ (Aaron Langenfeld) zur Sprache gebracht. Gerade die „pneumatologischen Irritationen der theologischen Freiheitsdebatte“ aufgreifend und vertiefend, arbeitet in einem allzu langen (136-184), aber doch alle Achtung verdienenden Beitrag Sarah Rosenhauer die Schwächen, ja Defizite eines bloß substanzontologisch verstandenen christologischen Ansatzes heraus, ohne allerdings die Applikation ihrer kritischen Reflexionen auf das Chalcedonense selbst näher auszuführen. Klaus von Stosch indes setzt klarerweise und konkret beim „ordo“ an. Er sieht zu Recht das Amt im Spannungsfeld von Pneumatologie und Christologie. Warum aber benötigt er, um seine Position zu verdeutlichen, seine Lieblingsgegner: Karl-Heinz Menke und Gerhard L. Müller? Ihnen versucht er vor allem im Rückgriff auf Jürgen Werbick und Dorothea Sattler zu widersprechen. Schade, denn ausgerechnet bei diesem ökumenisch aktuellen Thema verengt er den Diskurs auf ein rein innerkatholisches Gespräch.

Dass es ohne Trinitätstheologie bei diesem Thema nicht gehen kann, unterstreichen die differenzierten Beiträge zum Thema „Geistchristologien in der Diskussion“ von Bernhard Nitsche, Marco Hofheinz und Cornelia Dockter. Die junge Wissenschaftlerin Josefa Woditsch wagt schließlich, Resümee zu ziehen. Klar, kompetent und kenntnisreich zeichnet sie das Verhältnis von Pneumatologie und Christologie sowie auch das Verhältnis von Pneumatologie und Trinitätslehre nach. Ihr Fazit: „Die Weiterentwicklung der Geistchristologie(n)“ bleibt „in jedem Fall ein dringendes und wichtiges Desiderat.“ Um hier voranzukommen, bedarf es, wie sie richtig feststellt, vor allem und allererst „einer detaillierten und umfassenden Pneumatologie“ (331f.). Dabei geht es um nichts Geringeres als um die Verstehensvoraussetzung für den christlichen Glauben: „Niemand kann sagen: ‚Jesus ist Herr‘ außer im Heiligen Geist“ (1 Kor 12,3).

Bestandsaufnahmen und Perspektiven
Questiones disputatae 325
Freiburg: Herder Verlag. 2022
344 Seiten
52,00 €
ISBN 978-3-451-02325-5

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