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Bernd Janowski: Biblischer Schöpfungsglaube
Bernd Janowski legt mit dem voluminösen Band „Biblischer Schöpfungsglaube“ ein Werk vor, dass innerhalb der aktuellen exegetischen und bibeltheologischen Literatur beispiellos und herausragend ist. Dem Autor gelingt es, die kulturelle Gründungserzählung [vgl. 7 u.ö.] von Welt und Mensch so darzulegen, dass sein Buch nicht nur für das fachwissenschaftliche Publikum lesenswert ist, sondern auch einer breiten und interessierten Leserschaft rundheraus empfohlen werden kann.
Die große Frage, die sich jedem stellt, der versucht, ein Kompendium des biblischen Schöpfungsglaubens darzulegen, ist diejenige nach der Gliederung und Strukturierung: Soll sie sich an „der kanonischen Abfolge, der theologiegeschichtlichen Entwicklung oder den thematischen Schwerpunkten der Schöpfungstexte [orientieren]?“ (37) Weil es bei der Darlegung biblischen Schöpfungsglaubens kein Patentrezept geben kann bezüglich der Gliederung, darf Janowskis großartige Publikation gewissermaßen mit dem Gang durch eine umfassende Ausstellung verstanden werden, die in mehreren Räumen, konkret: in vier großen Kapiteln bzw. zwölf Paragrafen, den Besucherinnen und Besuchern die schier unerschöpfliche Bandbreite biblischen Schöpfungsglaubens eröffnet.
So durchschreiten die Besucher folgende zentrale Räume bzw. Themenfelder: Grundfragen des biblischen Schöpfungsglaubens, die priesterliche und die nicht-priesterliche Schöpfungserzählung, sodann die jeweiligen Zusammenhänge von Schöpfung mit den Kategorien Lebenswelt, Menschenbild, Tierwelt, Königtum, Geschichte, Tempel, Chaos und Weisheit (vgl. u.a. 38), bevor ein letzter, abschließender Raum den Versuch eines Resümees unternimmt. Der Autor fokussiert vor allem alttestamentliche Texte zur Schöpfung. Neutestamentliche Schöpfungstexte hingegen werden nur dort, wo es ist notwendig, von ihm entsprechend eingeflochten. Darüber hinaus zieht Janowski immer wieder auch Texte des Alten Orients oder der klassischen Antike zum Vergleich heran.
Der Verfasser gibt sich angesichts des von ihm bearbeiteten Themas sehr bescheiden, wenn er formuliert, dass der Anspruch seines Buches nicht sei, „den biblischen Schöpfungsglauben erschöpfend darzustellen“ (40). Sein Grundansinnen sei es vielmehr, den biblischen Schöpfungsglauben als „ein Grundgeschehen [darzulegen], das Bedeutung für die Gegenwart und Zukunft der Menschheit und Israel hat“ (6). Dieses Ziel formuliert er insbesondere angesichts eines sich breitmachenden Kreationismus: „Worauf es dagegen ankommt, ist die Aufgabe, aus falschen Alternativen herauszuführen und der Eigenbedeutung des biblischen Schöpfungsglaubens jenseits von Evolutionismus und Kreationismus gerecht zu werden.“ (5)
Bei aller inhaltlichen Fülle, die Janowskis detail- und kenntnisreiches Buch bietet, verliert sich der Autor nicht in der Komplexität, sondern es gelingt ihm wieder einmal mehr, äußerst komplexe und vielgestaltige thematische Zusammenhänge so zu präsentieren, dass man als Leserin und Leser sich jederzeit auch nur einem einzelnen der insgesamt zwölf Paragrafen widmen kann, ohne dass die Lektüre der anderen elf unbedingt und zwingend notwendig ist. Was der Rezensent äußerst charmant empfindet, ist die Tatsache, dass Janowski, wenn er mithilfe von Quellentexten (biblischen wie außerbiblischen) argumentiert, diese nicht nur erwähnt, sondern erfreulicherweise sehr häufig unmittelbar zitiert. Das erleichtert es sehr, seinen Gedankengängen zu folgen, weil es keine Notwendigkeit gibt, stets nach den Textbelegen suchen zu müssen. Darüber hinaus unterstützen insgesamt 160 Abbildungen die Anschaulichkeit und Klarheit der Sprache.
Der inhaltlichen Darlegung folgen insgesamt drei große Anhänge (483-669), in denen der Autor zentrale Schöpfungstexte des Alten Testaments sowie Quellen zur Kosmologie und Schöpfungstheologie der Antike präsentiert; mit Texten zur Tier- und Umweltethik unterstreicht er, dass und wie sehr die Auseinandersetzung notwendig ist und der biblische Schöpfungsglaube unsere Jetzt-Zeit prägt. Dabei ist die Auswahl der Texte im dritten Teil des Anhanges einem Gang durch die europäische Geistesgeschichte vergleichbar: Mit Michel de Montaigne, René Descartes, Immanuel Kant, Albert Schweitzer, Martin Heidegger, Nelly Sachs, Jürgen Habermas und Franz von Assisi seien nur einige der Autoren genannt, die Janowski heranzieht. Ein Verzeichnis der Abkürzungen, ein überaus reichhaltiges Literaturverzeichnis (677-751) sowie ein Stellen- und Sachregister erleichtern das Arbeiten mit dieser äußerst wertvollen Publikation.
Mag der Umfang dieses Buches vielleicht zunächst eher abschreckend wirken (etwa zwei Drittel der insgesamt 775 Seiten umfasst der darstellende Teil, das letzte Drittel entfällt auf die Anhänge und Register), so wird, wer auch nur ein einzelnes Kapitel oder einen einzelnen übergeordneten Paragrafen herausgreift, schnell feststellen, dass ein tieferes Eindringen in die von Janowski dargelegte Materie äußerst lohnenswert ist. Denn die profunde Darlegung lädt sehr dazu ein, sich intensiv oder wieder intensiver mit biblischer Schöpfungstheologie zu beschäftigen – und dies eben nicht nur innerhalb der Fachwissenschaft, sondern auch innerhalb von Erwachsenenbildung, Pastoral und Schule. Hierbei erscheint eine Arbeit mit einzelnen Kapiteln dieses Buches in der Ober- bzw. Kollegstufe durchaus vorstellbar.
Bernd Janowskis „Biblischer Schöpfungsglaube“ darf als Beweis dafür erachtet werden, dass derart umfassende Bücher und Darstellungen keineswegs obsolet, sondern angesichts der Komplexität der Lebenswelt und Fülle an Informationen, die tagtäglich auf uns einprasseln, eher wieder notwendig geworden ist.
Religionsgeschichte – Theologie – Ethik
Mit drei Anhängen und zahlreichen Abbildungen
Tübingen: Mohr Siebeck Verlag. 2023
775 Seiten m. Abb.
49,00 €
ISBN 978-3-16-162319-6