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Britta Lauenstein: Bibeltexte in Leichter Sprache
Deutsche Bibeltexte in Leichter Sprache bieten seit mehreren Jahren in beiden großen Kirchen verschiedene Gruppen und Institutionen an. Britta Lauenstein, die als Studienleiterin und Dozentin in der Ausbildung für Gemeindepädagogik und Diakonie selbst im Bereich „Leichte Sprache“ tätig ist, will mit ihrer Dissertation ein Grundlagenwerk schaffen, das die bisherige deutschsprachige Übersetzungslandschaft wissenschaftlich dokumentiert, reflektiert und vernetzt. Ihr Grundanliegen lässt sich mit dem Begriff „Teilhabe am Evangelium“ umschreiben: Es geht um die aktive Partizipation aller an der Gemeinschaft in Christus! Zu einer solchen Teilhabe leisten Bibeltexte in Leichter Sprache einen maßgeblichen Beitrag und wirken auf diese Weise am Reich Gottes im Hier und Heute mit – diese Überzeugung ist das Fazit ihrer Arbeit.
Kapitel I bietet eine Einführung in Definition, Intention und Regelwerk, Angaben zur Quellenbasis der Arbeit und Überblicke über bisherige (kleinere) Forschungsbeiträge sowie Initiativen in verschiedenen kirchlichen Praxisfeldern. „Verständlichkeit“ wird in Kapitel II doppelt beleuchtet: Im Kontext der Inklusionsdebatte werden u.a. die anthropologische Bedeutung von Sprache und die Entstehungsgeschichte Leichter Sprache angesprochen. Ausgehend von der Feststellung, dass das Christentum immer schon eine „Übersetzungsreligion“ gewesen sei, schärft Lauenstein im Kontext von Bibelübersetzungen das Prinzip der Zielgruppenorientierung aus. Für die heterogene Zielgruppe der Menschen mit kognitiven oder sprachlichen Beeinträchtigungen entwickelt sie eine Reihe von situationsgemäß anzuwendenden Angemessenheitskriterien. Was „Teilhabe am Evangelium“ allgemeintheologisch und im Hinblick auf Bibeltexte in Leichter Sprache bedeutet, legt Kapitel III anhand von fünf Dimensionen dar (biblisch-schöpfungstheologische Grundlagen, praktische Ermöglichung von Zugänglichkeit und Selbstbestimmung, Notwendigkeit von Bildung für den Erwerb einer religiösen Sprachfähigkeit, Bedeutung von Teilhabe für Gemeinschaft und Spiritualität sowie die Forderung nach aktiver „Teilgabe“).
In Kapitel IV erfolgt eine breitangelegte Darstellung ausgewählter Gruppen, die trotz ähnlicher Grundintention große Unterschiede bezüglich der Rahmenbedingungen, Zielgruppen, Anwendungskontexte und Veröffentlichungsformen aufweisen. Eine stärkere wissenschaftliche Begleitung und Vernetzung erscheinen schon hier als offene Desiderata. Die durchgeführten qualitativen Experteninterviews werden bei den folgenden „Innenansichten“ (Kapitel V) im Hinblick auf die besonderen Übersetzungsherausforderungen konkret ausgewertet. Das allen Bibelübersetzungen innewohnende Spannungsverhältnis zwischen Texttreue und Deutungsspielräumen, verbunden auch mit der Frage der Deutungsmacht der Übersetzenden, wird speziell auf den Umgang mit Verneinungen und auf die Verwendung von bildhafter Sprache untersucht. Immer wieder wird die Chance sichtbar, in der Übersetzungstätigkeit und im Dialog mit den Prüfgruppen die eigene Theologie zu hinterfragen und von unreflektierten Floskeln zu befreien.
Kapitel VI stellt mit den „Außenansichten“ kritische Einwände gegen die Verwendung Leichter Sprache allgemein, gegen kommunikative Bibelübersetzungen und Bibeltexte in Leichter Sprache zusammen. Lauenstein nimmt konstruktive Kritik im Sinne einer ständigen Revisionsbedürftigkeit der Übersetzungen in Leichter Sprache positiv auf. Sie betont gegenüber pauschaler Kritik aber auch, dass die Alternative wäre, Menschen von einem selbstbestimmten Zugang zur Bibel auszuschließen. Minutiös werden in Kapitel VII anhand zweier prominenter Perikopen (Ps 23 und Lk 2) verschiedene Übersetzungen aus gängigen Vollbibeln und in Leichter Sprache miteinander formal und inhaltlich verglichen. Hier werden – z.B. dort, wo es um die Zentralmetapher des Hirten geht – die Herausforderungen konkret erfahrbar.
Kapitel VIII zeigt in die Zukunft weisende Desiderate auf (z.B. eine internationale Vernetzung, die Übersetzung größerer Textzusammenhänge, geeignete Illustrationen oder die Ausweitung auf andere Textformen wie Lieder). Mit Augenmaß formuliert die Autorin abschließend bleibende Spannungsfelder des Bibelübersetzens in Leichte Sprache. Zusätzliche Hintergrundinformationen (Synopse zum Regelwerk; Materialien zu den Interviews; detaillierte Perikopenvergleiche; Register der bis 2023 verfügbaren Bibeltexte in Leichter Sprache) finden sich in einem umfangreichen Downloadbereich.
Die große Detailliertheit der Studie bildet sicher eine Herausforderung für die Lesenden. Wer sich dem aber stellt, der findet in Britta Lauensteins Buch ein bereicherndes Zeugnis engagierter Pionierarbeit.
Intentionen – Arbeitsweisen – Herausforderungen
Praktische Theologie heute
Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag. 2024
437 Seiten
39,00 €
ISBN 978-3-17-044498-0