Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Christoph Kreitmeir: Welche Farbe hat der Tod

Das Buch steht in Spannung zwischen zwei Inspirationsquellen: Der Rezeption theoretischer Impulse aus der medizinischen und psychologischen Sterbeforschung und aus verschiedenen religiösen Traditionen einerseits – und der Verarbeitung persönlicher Begegnungen mit Sterbenden, ihren Angehörigen und mit Dienstleistern rund um das Sterben.

Welche Farbe hat der Tod? – Der Maler Alfred Opiolka gibt die klare Antwort: Der Tod ist grün. Deshalb grundiert er die Schreine, die er für die Aufnahme toter Körper bemalt, in Grüntönen; Vögel, pflanzliche Motive und Schmetterlinge transportieren die tröstliche Botschaft, dass der Tod kein Ende, sondern das Überschreiten der Grenze zu einem anderen Leben ist. Das ist zugleich der Grundtenor des vorgelegten Buches, um den sich blütenförmig die Reflexionen Christoph Kreitmeirs legen.

Auch wenn der Autor die These abwehrt, Krankheit sei eine Folge der Lebensführung, der Patient also selbst daran schuld, so gilt es für ihn doch, die Krankheit als Appell zur Selbstfindung und Versöhnung zu sehen. Seine eigene Aufgabe als Klinikseelsorger definiert er entsprechend, durch Gespräche den Patienten einen Weg zu bahnen, ihre Krankheit als Lehrer zu begreifen. Sehr bewegende Beispiele aus der seelsorgerlichen Praxis sind in das Buch an vielen Stellen eingestreut. Gleich eingangs erzählt Kreitmeir von seiner eigenen Krebskrankheit und beklagt die Neigung zum Verdrängen und Vermeiden, die er nicht nur in seiner Umgebung, sondern auch bei sich selbst erlebt hat.

Um tröstend wirken zu können, braucht er theoretische Zurüstung: Das Buch geht knapp auf Ergebnisse der medizinischen Sterbeforschung ein, der Priester erzählt von seiner Ausbildung zum Logotherapeuten im Sinn von Viktor Frankl und entfaltet die Prinzipien eines tragischen Optimismus, in dem Vergänglichkeit zu Vergangenheit sich wandelt, der Blick von den Stoppelfeldern eines abgeernteten Lebens sich zurückwendet auf die Scheune, den Schatz gesammelter Erfahrungen. Solche Gleichnisse und Bilder wie zum Beispiel Rembrandts Rückkehr des verlorenen Sohns sind Kreitmeirs Hilfsmittel, um tröstende Gespräche einzuleiten.

War früher der Pfarrer der erste Ansprechpartner im Todesfall, so ist es heute der Bestatter, der auf Wunsch einen Trauerredner vermittelt. Kreitmeir beklagt, dass sich sowohl Trauerredner als auch Geistliche nicht immer die Zeit nehmen, eine Trauerfeier, die den Hinterbliebenen Trost anbietet, individuell zu gestalten. Er begrüßt, dass das traditionelle Begräbnis sein Monopol verloren hat und alternative Bestattungsformen, etwa im Ruheforst, hinzugekommen sind. Er schlägt neuartige Rituale vor, die kreative Beteiligung am unvermeidlichen Abschiednehmen ermöglichen. Schließlich setzt er sich mit Möglichkeiten auseinander, mit dem Verstorbenen über den Tod hinaus in Verbindung zu bleiben, und kritisiert die rigoros negative Haltung der Kirche zu allen Formen des Spiritismus.

Sterben und Tod sind Themen der Lehrpläne im Religionsunterricht, und Kreitmeirs Buch könnte der Lehrkraft bei der Vorbereitung helfen, indem die Beobachtungsdaten zur Symptomatik der letzten Lebensphasen gut zusammengefasst sind. Ob man einzelne Gesprächsschilderungen im Unterricht einbezieht, hängt davon ab, wie viel Emotionen man dort zulassen kann und will. Da aus meiner Sicht zur Thematik gehört, unseren Umgang mit Tod und Trauer aufzuarbeiten, könnten die ungewohnten Rituale und die Arbeiten des Sargmalers Opiolka, die in Bildern dokumentiert sind, gute Gesprächsanstöße bieten. Etwas zu weit geht Kreitmeir meiner Meinung nach, wenn er die mediale Kontaktaufnahme mit den Toten unkritisch als tröstend beschreibt, denn junge Leute machen auf diesem Feld auch verstörende Erfahrungen.

Erfahrungen eines Klinikseelsorgers mit Leben und Sterben
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. 2023
254 Seiten – m. farb. Ill.
22,00 €
ISBN 973-3-579-06231-0

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