Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Christoph Thoma: Gott im Schatten der Religionspädagogik

Die Organisation des Religionsunterrichts ist in allen westdeutschen Bundesländern in Bewegung begriffen. Der Umstieg vom konfessionellen auf den konfessionell-kooperativen RU ist mittlerweile flächendeckend auf den Weg gebracht worden. Niedersachsen geht mit der Einführung eines von den Kirchen gemeinsam verantworteten christlichen RU noch einen Schritt weiter und Hamburg stellt sogar auf RUFA 2.0 um, da Multireligiosität und Multikulturalität in einer Millionenstadt religionspädagogisch-organisatorisch anders offensichtlich nicht mehr zu bewältigen sind. Die Frage, welche Konsequenzen aus der Wahl der RU-Organisationsform für die Begründung des Faches sowie dessen inhaltliche Ausgestaltung gezogen werden müssten, wird erst in jüngster Zeit systematisch reflektiert. Mit Interesse greift der Rezensent und Lehrplaner deshalb auf das kleine Büchlein des österreichischen Religionspädagogen, Ethikdidaktikers und Bloggers Christoph Thoma zu, dessen Titel und Untertitel eine kritische Auseinandersetzung mit den konfessionellen Öffnungstendenzen versprechen.

Der Verfasser setzt sich zunächst tatsächlich mit den derzeit modellartig durchgespielten Neuordnungen des RU auseinander. Dabei geht er allerdings nicht auf die konkreten Ausgangsbedingungen und Nöte derjenigen ein, die religiöse Bildung im öffentlichen Raum zu organisieren haben. Vielmehr delegitimiert er auf der Basis einer sogenannten „theologischen Religionspädagogik“ (sic!) die in den amtlichen Dokumenten sich findenden Begründungsfiguren. Sie seien in erster Linie pragmatisch-politischer Natur und bedienten mit ihrer propagierten demokratiekompatiblen Extremismus-Prophylaxe den gesellschaftlichen Mainstream. Zu Recht hebt Thoma die Verpflichtung heraus, das Fach jenseits einer Minderheiten-Insiderlogik begründen zu müssen, schließlich gehe es auch darum, die Zustimmung der Res Publica abzusichern. Umso erstaunter ist der Leser allerdings, dass die Überlegungen Thomas gerade diesem Anliegen dann nicht gerecht werden und in ein Selbstgespräch abgleiten.

Schon der bei Anselm von Canterbury ansetzende theologisch-philosophische Grundkurs stellt den religionspädagogisch-didaktisch interessierten Leser auf eine Geduldsprobe. Es folgen linguistische und argumentationslogische Reflexionen, die in eine Übersicht mit „gültigen Syllogismus-Modi“ münden (114-116). Auch die Abschlussüberlegungen verweigern sich konsequent einer Aufnahme des religionspädagogischen Dialogs mit den Zeitgenossen. Störend ist der mehr oder minder sich durchziehende Subtext: Hier wird die Welt richtig erklärt.

Wer in diese Welt der Prädikatoren, Nominatoren und Allquantoren, von „Konklusions-Elementaraussagen“ und solchen, die „logisch halbformatiert“ werden müssen, abtauchen oder die Grundformen logisch stringenten Argumentierens (neu) erlernen möchte, ist mit dem vorliegenden Büchlein gut bedient. Wem die Nöte der Lehrkräfte angesichts der fachlichen Plausibilisierungskrise sowie die praktische Bildungsarbeit am Herzen liegen, wird eher woanders fündig werden.

Wege und Abwege des polykonfessionellen Religionsunterrichts
Religionspädagogik Bd. 9
Wien: LIT Verlag. 2023
136 Seiten
24,90 €
ISBN: 978-3-643-51136-2

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