Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Gesine Dammel (Hg.): Mein Weihnachtsbild

In diesem reizenden kleinen Buch stellen 22 bekannte weibliche und männliche Schriftsteller, Literaturwissenschaftler, Politiker, Journalisten, Theologen, Philosophen, Schauspieler, Mediziner und Künstler – unter ihnen Martin Mosebach, Friedrich Schorlemmer, Annette Schavan, Christian Lehnert, Hans-Ulrich Treichel, Peter Härtling, Elke Heidenreich, Jutta Richter, Klaus Gallwitz – ihr ganz persönliches Weihnachtsbild vor: Gemälde, Buchmalerei, Comic, Skulptur, Krippen, aber auch Fotos von Menschen oder Alltagsgegenständen. Abseits kunstgeschichtlicher Betrachtung liegt der Focus auf einem bemerkenswerten Detail, das die Verfasser/innen mit Weihnachten verbinden. Es handelt sich also um Begegnungserlebnisse mit Kunstwerken und Menschen, die intellektuell oder emotional, ernst oder humoristisch, persönlich oder gesellschaftskritisch, aus christlicher oder agnostischer Sicht geschildert werden; betont wird v.a. die menschliche Dimension von Weihnachten. Die Werke aus verschiedenen Zeiten stammen aus Kirchen, Museen, Privatbesitz oder dem öffentlichen Leben. Als christliche Sujets finden sich die Geburt Christi, die Anbetung der Hirten und der Könige, die Flucht und Engelsdarstellungen.

Fast alle Beträge sind von guter Qualität. Neben interessante Deutungen der mehr oder weniger bekannten klassischen Werke – etwa zu den Personengruppen oder zur Architektur der jeweiligen Szene – treten solche mit biographischem Bezug: Michael Krüger etwa nähert sich aus Kindersicht der „Geburt Christi“ von Lukas Cranach d.Ä., ist er doch selbst neben einem Stall auf einer Matratze im Kriegswinter geboren; Patrick Roth berichtet, dass ihm die Milchstraße erst im Traum, dann auf Adam Elsheimers Gemälde „Flucht nach Ägypten“ erschienen ist.

Die Interpretationen von Bildwerken, die der Familie des Autors oder dem öffentlichen Raum entstammen, münden v.a. in Gesellschafts- und Konsumkritik. Besonders rühren die biographischen Geschichten an: Wilhelm Schmid stellt die als Reaktion auf den 2. Weltkrieg gebaute Krippe seines Vaters vor; Ulrike Draesner deutet ein altes Kinderfoto mit der Oma, die einen „Lebensfaden“ in den Händen hält, als weihnachtliches Motiv; Volker Reiche erzählt, wie die getrennten Eltern um seine selbstgebastelte Krippe buhlten.

Kritisch ist zu bemerken, dass die Abbildungen in dem sonst sehr schön gestalteten, nicht gerade billigen Büchlein zu klein geraten sind, sodass man kaum das Beschriebene erkennen kann. Es fehlt ein Vorwort, das etwas zur Auswahl der 22 Autorinnen und Autoren sagt; zwei weitere Verfasser hätten dem Buch den Charakter eines Adventskalenders gegeben. Die Bandbreite der Beiträge von christlich bis agnostisch entspricht der gesellschaftlichen Realität, doch hätte man besser auf Erika Pluhars peinliches Foto mit Zipfelmütze verzichtet. Nichtsdestotrotz ist es ein schönes Werk, das für eine Adventsbetrachtung – allein oder mit anderen zusammen – eine schöne Stunde bescheren kann!

 

Berlin: Insel Verlag. 2015

127 Seiten m. farb. Abb.

19,95 €

ISBN 978-458-17654-1

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