Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Gianluca De Candia: Der Sprung in den Glauben. Von der existenziellen Relevanz des Christentums

Den christlichen Glauben in der Gegenwart zu plausibilisieren ist eine Herausforderung für alle theologischen Disziplinen. De facto arbeitet jedoch vorrangig die Religionsdidaktik einigermaßen breitenwirksam auf diesem Feld, während Katechetik und Predigtlehre nur noch einen kleinen Kreis von Interessierten zu erreichen vermögen. Die Zeiten, in denen Hans Küng und Eugen Drewermann in bürgerlichen Kreisen gelesen wurden, sind wohl endgültig vorbei. Theologie und Glaube sind ein Nischenphänomen geworden.

Nun versucht sich der Kölner systematische Theologe Gianluca De Candia mit einem kleinen Büchlein an der apologetischen Herausforderung. Im Schnittfeld von Philosophie, Kulturhermeneutik und Theologie soll auf der Linie von Paul Tillich die gegenseitige Erschließung von Existenz und Glaube an einigen zentralen Punkten aufgewiesen werden. Insbesondere Lehrkräfte werden aufmerken und zugleich erhoffen, dass das, was sie alltäglich korrelationsdidaktisch betreiben, eine Vertiefung und Erweiterung erfahren kann.

De Candias „Hermeneutik des positiven Vielleicht“ (14) geht nach einer begrifflich klärenden Hinführung mehr oder weniger systematisch die theologischen Gegenstandsbereiche durch, um zentrale Dogmen des christlichen Glaubens zu erhellen. Plausibel ist der Ansatz beim staunenden und fragenden Menschen, bei seiner Verletzlichkeit und seiner Sehnsucht nach unbedingter Annahme, für die der Begriff der Rechtfertigung bereitgehalten wird. Lesenswert ist De Candias jesulogischer Anweg zur Christologie (71-79), auf welchem der Stil Jesu und seine „souveräne Unbefangenheit“ als Quintessenz eines einnehmenden menschlichen Wesens charakterisiert werden.

Nachdenklich machen De Candias Ausführungen zur „Humorlosigkeit des Christentums“ (81-103). Mehr oder weniger deutlich gesteht der Autor ein, dass dem menschlichen Lachen eine die Erkenntnis von absoluten Wahrheiten und deren Gewichtigkeit relativierende Funktion zukommt. Umberto Ecos totalitarismuskritische Frage im Roman „Der Name der Rose“ („Hat Jesus gelacht?“) lässt grüßen. Mit gemischten Gefühlen nimmt der Leser De Candias Bemühungen zur Kenntnis, die christlichen Mysterien bzw. Dogmen als „polar-ironisch“ (96) zu verstehen. Unvermischt, unverändert, ungeteilt, ungetrennt – das Verhältnis von göttlicher und menschlicher Natur als Freude an der Zusammenstellung „inkommensurabler Perspektiven“? Sind die heftigen Auseinandersetzungen um die an Begrifflichkeiten festzumachende Rechtgläubigkeit dann nicht doch etwas verklärend interpretiert worden?

Schwierig gestaltet sich naturgemäß das Eintauchen in das Geheimnis der Trinität. De Candia versucht es mit verschiedenen Zugängen, die entweder der Musik, der darstellenden Kunst oder der Erfahrung der Liebe entnommen sind. Die Sünde versteht er als antitrinitarische Dissonanz und greift auf Beispiele aus dem Bereich der Psychologie zurück. Idealistisch und nur bedingt überzeugend behauptet er abschließend, dass die christliche Offenbarung potenziell alle Dissonanzen beheben kann. Vorsichtig mag der Leser anmerken, dass der Autor offensichtlich nur das zurückbekommt, was er vorab projektiv in den Begriff der Gottheit hineinverlegt hat.

Interessant ist das Schlusskapitel über die Engel und deren Funktion in der religiösen und nichtreligiösen Literatur. Anders als in der theologischen Dogmatik wird nämlich in der Literatur die Wirkung der Narratio sichtbar. Die frei von apologetischem Interesse gestaltete Erzählung macht auf die Leerstellen der menschlichen Existenz aufmerksam und verhilft ähnlich wie Musik und Kunst zu einem Perspektivwechsel, zu dem die biblisch-christliche Religion einladen möchte. Insofern bietet das kleine Büchlein von De Candia ein offenes Ende, ein Ausblick auf das „positive Vielleicht“.

Freiburg: Herder Verlag. 2023
144 Seiten
18,00 €
ISBN: 978-3-451-39634-2

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