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Gotthard Fuchs: Gottvorkommen. Mystik im Alltag
„Leben ist das, was passiert, während du gerade dabei bist, andere Pläne zu machen.“ Mit diesem Satz von John Lennon beginnt Gotthard Fuchs (geb. 1938), Priester und bekannter Kolumnist der Zeitschrift „Christ in der Gegenwart“, sein neues Buch „Gottvorkommen“ und bringt damit treffend sein Anliegen zum Ausdruck: „Einfälle und Fundstücke aus dem Alltag […] zu theologischen Miniaturen [zu] verdichte[n], die man ‚mystagogisch‘ nennen könnte, also Wegbegleiter zum Geheimnis des Da-Seins.“ (7)
Geschöpft aus dem reichen Fundus der wöchentlichen Kolumne „Mystik im Alltag“ im „Christ in der Gegenwart“, gliedern sich 60 ausgewählte Text-Miniaturen, die nie länger als maximal zwei Seiten sind, in sechs gleichgroße Kapitel und behandeln zahlreiche Themen wie z. B. Menschenwürde, Klimawandel, Solidarität und Verantwortung, Glaubenswege, Gebetsweisen, Engagement und Hingabe.
Fuchs gelingt mit der Verbindung von erklärenden Elementen, persönlichen Reflexionen und literarischen Zeugnissen aus Poesie und Mystik etwas Besonderes: Er gibt dem „vielsagenden Schweigen Gottes im Geräusch unseres Lebens“ (10) sprachlichen Raum, um bis zum Kern eines Gedankens vorzudringen. Jedes Textstück eröffnet einen Erfahrungsraum, der es Leserinnen und Lesern ermöglicht, einzutreten und mitzugehen. Aus der Fülle seien exemplarisch einige Beispiele benannt: Der Text „Grundwasser“ (46f.) schaut auf die fortschreitende Versteppung und Vertrocknung der Natur und fragt nach Parallelen in unserer Seelen- und Beziehungslandschaft. Das Stichwort „Homeworking“ (48f.) lässt den Autor darüber nachdenken, was es eigentlich bedeute, nach Hause zu kommen und wirklich daheim zu sein. Auch das Gründungsprofil des Christlichen nimmt Fuchs in den Blick und führt seine Überlegungen bis an die Peripherie, denn nur „vom Rand her gehen gott-menschliche Initiativen aus“, und lädt dazu ein, soziale Brennpunkte als spirituelle zu entdecken (72f.). Spannend liest sich auch die „Vermisstenanzeige“ (102f.), die eine Spruchkarte, biblische Hoffnungsbilder, Zitate von Johannes von Kreuz, Christian Lehnert und Michel de Certeau und den Sehnsuchtsschrei der frühen Christen miteinander verbindet und den Text mit der irritierenden Umkehrfrage aus dem Lukasevangelium enden lässt, ob der Herr, wenn er kommt, noch Glauben auf der Erde findet. Wer vermisst hier eigentlich wen? Es ist originell und gekonnt, wie Fuchs die Leserinnen und Leser immer wieder neu „abholt“ und sie zu einer gedanklichen Wanderschaft ermuntert, die für Überraschungen gut ist und durchaus auch zum Einspruch lockt.
Die Text-Miniaturen wollen nicht belehren, sie bieten vielmehr Zuspruch und regen zum Mit- und Weiterdenken an, zum Loslassen vor Vorstellungen und Plänen, zu einem Perspektivenwechsel – kurz: zu einer Mystik im Alltag.
Freiburg: Herder Verlag. 2024
143 Seiten
18,00 €
ISBN 978-3-451-39884-1