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Gregor Taxacher: Die Geschichten der Geretteten. Heilige und Heiliges in der Legenda aurea
Jenseits einer klischeebehafteten, biederen Frömmelei öffnet der Dortmunder Theologe Gregor Taxacher Denkwege zu einer unkonventionellen Reise durch die farbenprächtige Welt der „Legenda aurea“ und lädt zu spirituellen Begegnungen besonderer Art ein.
Hinter dem golden schimmernden Glanz der Legenden des christlichen Martyriums werden bemerkenswerte Persönlichkeiten und auch Vorbilder der Heilsgeschichte sichtbar, darunter etwa „starke Frauen“ – unter der „Oberfläche des klerikal und patriarchal geprägten Textes“ der „Legenda aurea“. Zu Glaubenszeuginnen, die „wundersam schmerzfrei“ leiden, gehört etwa die heilige Lucia, die die folternden Männer körperlich nicht manipulieren können. Taxacher bezeichnet die „Wundersymbolik“ als eindeutiges „Sich-Entziehen des weiblichen Körpers vom männlichen Zugriff“. Tausend Männer können Lucia, an den Händen und Füßen gebunden, nicht im Geringsten bewegen. Dekonstruiert würde so die vorherrschende „frauenfeindlichen Konstruktion des weiblichen Geschlechts“, damals gewiss, auch heute noch? Taxacher sieht Analysen der Gender-Philosophin Judith Butler bestätigt. Die Konstruktion der Zweigeschlechtlichkeit werde aufgehoben und die „Theologie weiblicher Identität“ desavouiert. Geschlechtsspezifische Klischees würden entlarvt, Geschlechterrollen parodiert. Die „wortgewandte Eugenia“ gehöre etwa zu den „Travestie-Heiligen“, die zwischen Geschlechtsidentitäten wechsele und auch in bestimmten Situationen als „Frau den guten Mönchen und Vorgesetzten verkörpern“ könne.
Der Verfasser positioniert sich gegen eine simplifizierende konservative Sicht der „Legenda aurea“. Das Bild eines stilisierten Mittelalters christlicher Harmonie bestimmt er als Ausdruck „romantischer Sehnsüchte“. Die „Heiligengeschichten“ böten „Modelle des gelungen, religiös: des erlösten Lebens“: „Erlösung ist von der biblischen Sprache her ein Freiheitsbegriff: Er bedeutet Lösung, Befreiung, Rettung aus Zwängen.“ Deutlich wird, dass „anstößige Vorbilder“ auftreten – es gibt sie mit Maria Magdalena schon im Neuen Testament, die der Autor pointiert, aber letztlich etwas zu plakativ zur „passenden Patronin“ der reformorientierten katholischen Frauenbewegung „Maria 2.0“ erheben möchte. Nachdrücklich und durchgängig wird betont, dass Erlösung in einem umfassenden Sinn die „Befreiung der Ohnmächtigen“ bedeute. Das äußert sich auch darin, dass zwar beständig von Martyrium und Verfolgung die Rede sei. Gewalt werde zwar „literarisch geradezu zelebriert“, um den „christlichen Heldenmut“ zu fördern, doch zugleich stellt Taxacher fest: „Häufig erscheint das Leiden nicht wirklich als körperliche Qual, weil auf wunderbare Weise die Folter unwirksam bleibt, weil die Heiligen nichts spüren und fröhlich weiter predigen können.“
Die „narrative Theologie“ der „Legenda aurea“ inkludiere „Gestalten vom äußersten Rand, die denkbar Fremdesten“ ins Evangelium, so etwa Christophorus, der einfach „ohne Murren einen Job“ übernehme, zum Christusträger werde und als „kraftstrotzender, argloser Simpel“, als „Ein-Mann-Fähre“ das „unerklärlich schwere Kind durch die Fluten trägt.“ „In dieser Geschichte steckt tatsächlich das Evangelium für die religiös Unmusikalischen – hier aber weniger für die Intellektuellen, sondern gerade für die Arbeiter unter ihnen. Jeder kann Christus dienen und ihn so finden, wenn er seine eigene Stärke in den Dienst der anderen stellt.“
Gregor Taxacher ermutigt und ermuntert zu einer Lektüre der „Legenda aurea“ und zeigt mit seinem erfrischenden, geist- und humorvollen Buch farbige Gestalten, echte Heilige, deren Geschichten für ein glaubwürdiges, fröhliches Christ-Sein in der Welt von heute bemerkenswerte, wundersame und wunderbare Impulse schenken.
Regensburg: Verlag Friedrich Pustet. 2023
182 Seiten m. s-w Abb.
24,95 €
ISBN 978-3-7917-3398-2