Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Hans G. Kippenberg: Regulierung der Religionsfreiheit

Der Autor geht in seinem Buch fundiert auf das Verhältnis Recht und Religion ein und spannt dabei einen weiten Bogen. Zunächst zeigt er auf, dass trotz der großen Bedeutung der Menschenrechte in der Gegenwart und ihres historischen Einzugs in den USA und in Frankreich gegen Ende des 18. Jahrhunderts keine durchgehende Kontinuität zwischen damals und heute vorliegt. Dieses legt er anhand einer detaillierten Auseinandersetzung mit dem Recht und der tatsächlichen Realität in der Gesellschaft dar. Die Gewährung von Religionsfreiheit war eine Pflicht von Staaten und Regierungen, die dem Völkerbund angehörten. Es war aber weder ein einklagbares individuelles noch ein einklagbares kollektives Recht einer Minderheit. Dann geht Hans G. Kippenberg darauf ein, wie sich ab 1945 die Religionsfreiheit entwickelt und verfestigt hat.

Sodann widmet er sich dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, der 1966 verabschiedet wurde und 1976 nach Ratifizierung durch 53 Staaten in Kraft trat. Vertragsparteien waren die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen. Die rechtliche Gewährung der Menschenrechte wurde dabei in die Zuständigkeit und Gewährungspflicht der nationalen Staaten gelegt. Der Autor legt dar, dass dieser Vertrag einerseits vorstaatliche Menschenrechte (Religions- und Überzeugungsfreiheit) von der Staatsangehörigkeit löste, aber andererseits den Nationalstaat durch Vertrag dazu verpflichtete, die Gewährleistung der Menschenrechte einzuhalten. Sodann legt er die Entwicklung zur Klagemöglichkeit gegen den Staat wegen Verletzung dieser Rechte dar.

In einem weiteren ausführlichen Abschnitt geht Kippenberg auf eine Studie von Arcot Krishnaswami ein. Diese Studie beschäftigt sich mit der Unterdrückung und Verfestigung von Religion und religiösen Rechten. Der Autor stellt die Studie in allen Einzelheiten vor und legt besondere Aufmerksamkeit auf die Weise, in der Krishnaswami die Aufgabe des Staates versteht. Als Ergebnis fasst der Autor zusammen, dass Krishnaswami aus dem Blickwinkel von unrechtmäßigen staatlichen Restriktionen öffentlicher religiöser Handlungen zu einem Religionsbegriff gelangt ist, der nicht zu einer Wesensdefinition von Religion führt, sondern zu ihrer Bedeutung für das Wohl der politischen Gemeinschaft. Sodann legt er dar, welche weitreichende Wirkung die Studie von Krishnaswami auf die späteren Menschenrechtsdokumente der Vereinten Nationen hatte.

Dann setzt sich der Autor mit der Problematik einer Intoleranz von religiösen Gemeinschaften auseinander. Er weist darauf hin, dass 2011 das Büro des hohen Kommissars für Menschenrechte Workshops organisierte, die das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Verbot eines Eintretens für nationalen, rassistischen und religiösen Hass, der zu Diskriminierung, Feindschaft und Gewalt anstachelt, klären soll. Kippenberg setzt sich mit Nichtregierungsorganisationen im Dienste der Vereinten Nationen auseinander. Er sieht, dass die USA sich als Anwälte von Religionsfreiheit verstanden und die Einhaltung der religiösen Rechte zu einem Instrument ihrer Außenpolitik machten.

Der Autor legt dar, dass die Realisierung der Religionsfreiheit vor allem mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Art. 18) und mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 9) durch die Gerichte stattfindet. Dabei stellt er die komplexe Problemlage dar, vor die die Gerichte bei ihren Entscheidungen gestellt werden, etwa durch die Vielfalt der Modelle der Beziehung Staat – Religion / durch die Arbeitsmigration von Muslimen / durch neue religiöse Bewegungen / durch den Beitritt osteuropäischer Länder mit ihren Nationalkirchen. Dabei gibt er einen umfassenden Überblick über die Rechtsprechung und setzt sich kritisch mit ihr auseinander.

Insgesamt gibt Kippenberg einen umfassenden Überblick über die Regulierung der Religionsfreiheit auf europäischer und internationaler Ebene. Deshalb ist dieses Buch all denen zu empfehlen, die sich mit Religionsfreiheit beschäftigen und über Deutschland hinausblicken wollen.

Von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zu den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
Baden-Baden: Nomos Verlag. 2019
190 Seiten
34,00 €
ISBN 978-3-8487-5565-3

Zurück