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Hartmut Sommer: Über die Engel erhoben. Wesen und Sinn unserer Leiblichkeit
Den im Buchtitel aufgeworfenen Aspekt „Wesen und Sinn unserer Leiblichkeit“ betrachtet Hartmut Sommer quer durch die Philosophiegeschichte und mit Blick auf neuere naturwissenschaftliche und medizinische Forschung bis hin zum Transhumanismus, der den sterblichen Körper überwinden will. Der Autor diskutiert die konträren Positionen zwischen einer rein naturalistischen Sicht und einem ganzheitlichen Leib-Seele-Verständnis: „Bin ich nur Körper und nichts außerdem?“ Die dargelegten Perspektiven sind von sozial-politischer wie medizinischer Relevanz und sollten hinsichtlich pränataler wie finaler Fragestellungen zu Schwangerschaftsabbruch, Leihmutterschaft sowie Sterbehilfe bedacht werden.
Den platonischen Dualismus überwindend, der in der scholastischen Philosophie seine Fortführung fand, gebraucht Hartmut Sommer das bildreiche Wort „hineingewurzelt“, um die prägende und nicht abzuspaltende Einwohnung der Seele in den Leib auszudrücken. Dies gilt es bezogen auf die theologische Fragestellung nach postmortaler Auferstehung des Leibes zu bedenken und wird im siebten Kapitel erhellend mit dem Begriff „Seelenleib“ auf den Punkt gebracht. Der Autor reflektiert des Menschen Leiden an seiner fragilen, sterblichen Leiblichkeit und referiert Positionen des Manichäismus, der irenäischen Theodizee wie des modernen Atheismus. Die gedanklichen Entwürfe eines entleiblichten Seins in der virtuellen Welt von „Ego-Maschinen“ sind nach Ansicht des Autors kritisch zu hinterfragen, denn die Vorstellung von einem im mechanischen Apparat gefangenen Subjekt müsse als ewige Verbannung und unerlöster Zustand erkannt werden.
Vielleicht ist ratsam, die Lektüre des Buches mit dem Schlusskapitel „Rede des Engels an den Menschen vom Weltgebäude herab“ zu beginnen. Denn im Vergleich zur Körperlosigkeit der Engel begriffe der Mensch seinen Leib nicht als widerständige Last, sondern als Medium unüberbietbarer Gottesbegegnung. Die körperlosen Engel vermögen Jesus Christus, der sich bei der Eucharistiefeier in konsekrierter Hostie anbietet, nicht mit Sinnen zu greifen, zu riechen, zu schmecken, ihn sich einzuverleiben. Hierbei vollzieht sich mit, in und durch den Leib die innigste Vereinigung zwischen Christus und den Menschen. Während der Liturgie ereignet sich die Höchstform existentiellen Daseinsvollzugs menschlicher Leib-Seele Einheit im Vorgriff auf die eschatologische Mahlfeier vereint im Sanctus mit den singenden Engelchören.
Das vorliegende Werk des Autors ist die logische Fortführung seines ebenfalls zu empfehlenden Buches „Die bedeutendsten Mystiker“ (Wiesbaden, 2013). Hartmut Sommer verweist auf die Mystikerin Mechthild von Magdeburg, die ihre spirituelle Gotteserfahrung in all ihren leiblichen Gliedern verortete, so dass sie anmerkte: „Was kümmert mich dann, was die Engel erleben.“
Abschließend lässt sich resümieren: Neben dem Fundus an philosophischen wie naturwissenschaftlichen Literaturverweisen zum Thema bietet das Buch theologische Denkanstöße; es appelliert zum dankbaren Staunen über das eigene Dasein, das Anlass und Grund genug ist, in Anlehnung an den franziskanischen Sonnengesang Gott für die mit allen Sinnen erfahrbare Schöpfung zu preisen. Die auf dem Buchdeckel abgebildete anatomische Skizze von Leonardo da Vinci zeigt einen im Mutterschoß eingebetteten Embryo und erinnert an folgenden Psalmtext: „Was ist der Mensch, dass Du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass Du Dich seiner annimmst. Du hast ihn weniger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast Du ihn gekrönt.“ (Ps 8, 5f) Im Anschluss an das inspirierende und sehr lesenswerte Buch empfiehlt es sich, nochmals diesem Psalm beglückt und erschreckt nachzusinnen.
Eine philosophisch-theologische Annäherung
Rückersdorf: Lepanto Verlag. 2022
160 Seiten
18,00 €
ISBN 978-3-942605-29-8