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Helga Kohler-Spiegel: Traumatisierte Kinder in der Schule
Die erfahrene Pädagogin Helga Kohler-Spiegel geht von der grundlegenden Bedeutung der Beziehung zwischen dem Kind und seinen Bezugspersonen aus. Diese drückt sich vor allem im wohlwollenden, einfühlsamen Blick der Mutter, aber auch jeder anderen Pflegeperson aus. Damit ruft die Autorin zu Recht eine für das pädagogische Denken und Handeln zentrale – momentan vielleicht vergessene – Einsicht der personalen, dialogischen Anthropologie jüdisch-christlicher Provenienz in Erinnerung: Alles wirkliche Leben ist als Beziehung zu verstehen (M. Buber). Zu sein bedeutet, angesehen zu werden: „Esse = percepi“ (B. Grom). Das bestätigen die Einsichten der humanistischen Psychologie R.D. Laings ebenso wie das aus der nicht-direktiven Gesprächstherapie von Carl Rogers bekannte „Spiegeln“.
Anschließend stellt die Religionspädagogin das Phänomen Trauma sowie dessen Ursachen präzise und anschaulich dar. Vor dem oben skizzierten Hintergrund ist ein „erstes Verstehen“ traumatisierter Kinder, der Auswirkungen ihrer psychischen Verwundung auf das Gehirn, von Überlebensstrategien der Betroffenen und hilfreicher Programme möglich. Der Abschnitt „Wenn aber die Unterstützung fehlt…“ signalisiert deren Notwendigkeit. Vorher werden die gravierenden Folgen der posttraumatischen Belastungsstörung sowie ihre Auswirkungen auf die existentielle Situation der betroffenen Kinder und Jugendlichen deutlich.
Nach einer kurzen, orientierenden Zusammenfassung im „Zwischenstopp“ kommt die schulische Situation in den Blick. Die Schule als Beziehungsraum des Miteinanders zwischen Lehrern und Schülern beinhalte Möglichkeiten, ein „guter Ort“ zu sein, wenn der Pädagoge sich selbst im Blick habe. Das ist eine an die Darstellung zu Anfang anschließende notwendige Perspektive, denn: „Wer Du sagen will, muss zuvor Ich gesagt haben“ (M. Buber). Ihr korrespondiert die Einsicht, den Lernenden Möglichkeiten zu geben, die Selbstberuhigung einzuüben.
Als erfahrener Pädagogin ist sich Helga Kohler-Spiegel allerdings der Grenze dieser Strategie und schulischer Möglichkeiten ebenso bewusst wie die Notwendigkeit, beziehungsadäquat auf „besondere Situationen“ zu reagieren. Hier weist die Autorin auf praktische Hilfen sowie die selbstverständliche Kooperation mit außerschulischen Unterstützern hin.
Nach einem Rückbezug auf die Arbeit der Traumatherapie veranschaulicht Kohler-Spiegel in einem Exkurs die „Krisenintervention“ und fasst schließlich die Möglichkeiten der Schule zusammen, traumatisierten Kindern und Jugendlichen zur Seite zu stehen. Im Literaturverzeichnis finden sich vertiefende Hinweise.
Das Buch regt durch das aktuelle Thema gerade wegen seiner Kürze zur Lektüre an. Die klaren Erläuterungen komplexer Begriffe und Zusammenhänge halten das Interesse ebenso wie die anschaulichen Fallbeispiele wach. Die Autorin stellt mit ihrem realistischen, situationsbezogenen Buch einen Erste-Hilfe-Koffer bereit. Damit bringt sie die Grenzen und die Möglichkeiten ihrer praxisorientierten Ausführungen im Beziehungsraum „Schule“ zum Ausdruck.
Ostfildern: Patmos Verlag. 2017
96 Seiten
14,00 Euro
ISBN 978-3843609333