Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Helmut Hoping / Magnus Striet: Gott, Freund der Freiheit. Ein Streitgespräch

Das „Streitgespräch“ beschäftigt sich in der Reihenfolge mit Fragen nach Gott, Offenbarung, Christologie, Ekklesiologie und aktuellen Themen (Vertuschungskrise und Synodaler Weg). Magnus Striet ist Professor für Fundamentaltheologie und Philosophische Anthropologie in Freiburg im Breisgau und Helmut Hoping lehrt ebendort Dogmatik und Liturgiewissenschaft.

Beide haben unterschiedliche Ausgangspunkte für ihre Argumentation (etwa 25, 32, 44, 65-67). Striet setzt eher philosophisch-anthropologisch bei Fragestellungen in anthropologischer Interesseleitung ein und überlegt, inwiefern der christliche Glaube hier ein Antwortangebot darstellen könnte. Hoping, dessen hohe philosophische Kompetenz nicht infrage steht, hat eher dogmatisch den Blick auf die kirchliche Lehre und die römisch-weltkirchliche Perspektive. Einig sind sich aber beide trotz allem, wie Hoping im Anschluss an Striet feststellt: „Hinter die anthropologische Wende in der Theologie können wir nicht zurück, das ist richtig.“ (44)

So stößt man trotz allem immer wieder auf tendenzielle Streitpunkte zwischen den beiden Theologen – wie etwa im Hinblick auf die Gottesfrage. Hoping über seine Position eines „christlichen Panentheismus“ (46): „Alles ist durch und in Gott erschaffen. Auch dies ist bei der Rede vom Handeln Gottes in der Welt zu beachten.“ (46) Striet weist daraufhin: „Wie wird hier erklärt, dass der Mensch seinen Selbst-Stand auch nochmals gegenüber Gott bildet?“ (46) Und weiter: „Dass das Verhältnis von Gott und Mensch ein kreatürliches ist, habe ich natürlich nie bestritten.“ (47) Etwas weiter unten sagt er dann, dass es „keine kausale Verursachung von Freiheit geben“ (48) könne.

Die Frage nach Dogmenhermeneutik ist in diesem Buch gleichsam eine Überleitung in den späteren (und knapp gehaltenen) Thementeil „Synodaler Weg“. Im Hinblick auf die Frauenordination stellt Hoping fest: „Dogmatische Entscheidungen sind das eine, Dogmenhermeneutik das andere“ (70), wenn es um dogmatische Entscheidungen als „definitive Punktsetzungen“ (70) geht. Striet wendet ein, dass man durch ein „auch noch so angestrengtes hermeneutisches Bemühen irgendwann an seine Grenze“ (70) kommt. Das Unfehlbarkeitsdogma (1870) ist das Paradebeispiel für diesen Grenzgang. Verschärft wird die Situation durch Johannes Paul II. mit seinem Schreiben „Ordinatio sacerdotalis“ (1994), in dem der Papst unter Rückgriff auf die Tradition der Kirche feststellt, dass man an dem Verbot, Frauen die Priesterweihe zu spenden, festhalte und dass dies „definitiv“ gelte.

Weder Hoping noch Striet beziehen in diese Fragestellung „Ad tuendam fidem“ (1998) ein. Striet weist darauf hin, dass Kardinal Joseph Ratzinger in seiner Kommentierung von „Ordinatio sacerdotalis“ den Unterschied zwischen Aussagen des ordentlichen und des außerordentlichen Lehramtes mehr oder weniger eingezogen hat“ (71, vgl. 103).

Die Diskussion über homosexuell veranlagte Priester und die Missbrauchsdiskussion sind miteinander verzahnt. Hoping wird sehr deutlich, wenn er auf Schätzungen verweist, „dass die Hälfte aller Priester, wenn nicht mehr, homosexuell ist“ (84) und spricht – ohne Homosexualität zu verurteilen! – von einer unguten „Homosexualisierung des Klerus“ (85) und dass nach Daten aus den USA, Irlands und der MHG-Studie ungefähr „drei Viertel aller Missbrauchsopfer … Minderjährige männlichen Geschlechts“ (85) sind. Und auch Hinblick auf die heterosexuellen Priester sagt er, dass das „Priesteramt zu einem Nischenberuf geworden ist, weil Männer nicht zu ihrer eigenen Sexualität stehen oder sie nicht reflektiert haben“ (87). Und Striet macht deutlich, dass Priester, „die Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht haben, nicht im Amt bleiben (können, L.H.). Und Bischöfe, die sexuellen Missbrauch vertuscht haben, gehören abgesetzt“ (91).

Interessant im Hinblick auf zukünftige Diskussionen in der Kirche sind die Stellungnahmen zur Frage der Bedeutung des Synodalen Weges. Striet sagt: „Auf dem Synodalen Weg kann derzeit beobachtet werden, wie dieses Recht (auf Selbstbestimmung in der liberalen Gesellschaft) zur normativen Mehrheitsmeinung geworden ist. Da mag ein Walter Kasper dafür oder dagegen sein: Es ist faktisch so.“ (116) Und er verweist darauf, dass es auch theologische Gründe für die Inhalte des Synodalen Weges gebe. Hoping widerspricht: „Der Synodale Weg ist zwar wie ein Kirchenparlament organisiert, aber nicht demokratisch legitimiert. Denn wer hat seine Mitglieder gewählt? Die Gläubigen der katholischen Kirche nicht.“ (129)

Beide Statements haben etwas an sich, was nachdenklich machen kann. Ich will meine Rezension mit ihnen beschließen. Der Philosoph Hegel entwirft in seiner „Phänomenologie des Geistes“ (1807) die Denkfigur eines „gedoppelten Insofern“, gemäß dem zwei Standpunktnahmen einander deutlich unterscheiden und doch die Perspektive auf eine Aufhebung in einem neuen Standpunkt bestehen kann, sofern man diese in die Zeit und damit in gläubig vertrauender Ratlosigkeit in Gottes Hände legt und dabei an seinem eigenen Insofern weiterarbeitet.

Das Buch eignet sich als gute Diskussionsgrundlage für Theologen. Für Laien dürfte es zu anspruchsvoll sein.

Stefan Orth (Hg.)
Freiburg: Herder Verlag. 2023
144 Seiten
18,00 €
ISBN 978-3-451-27463-3

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