Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung

Holger Brülls: Thomas Kuzio

Neue Arbeiten im architektonischen Raum: Projekte und Entwürfe der Jahre 2010 bis 2015
Mit einem Vorwort von Barbara Schock-Werner


Wer die enorme Raumwirkung und die religiöse Kraft zeitgenössischer Glasmalerei erleben möchte, sollte der evangelischen Mariengemeinde in Frankfurt-Seckbach einen Besuch abstatten und in Ruhe die neuen Chorfenster betrachten. – Beginnen wir chronologisch: Die 1707-10 erbaute, im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstörte Kirche wurde wiederaufgebaut und 1951 geweiht. Im Zuge des Wiederaufbaus wurde nicht nur der weithin sichtbare Turm vereinfacht, sondern auch das mittlere Rundbogenfenster im Altarraum zugemauert und eine überlebensgroße Kreuzigungsgruppe in der Technik des Sgraffito neu geschaffen. Bei der umfassenden Innensanierung 2012-13 wurde das Chorfenster wieder geöffnet, die Kreuzigungsgruppe bekam einen neuen Platz im Turmaufgang. Das wiedergewonnene, den Raum aufhellende Kirchenfenster sollte, so der Kirchenvorstand, der christlichen Botschaft von Leben, Tod und Auferstehung des menschgewordenen Gottes eine künstlerische Gestalt geben und zugleich „ein bewegtes, deutungsoffenes Kunstwerk sein, das den Betrachter zu eigenen Gedanken anregt und ihn die Botschaft selber suchen und entdecken lässt“ (Christine Rudel). Gewonnen wurde für diese Aufgabe der renommierte Glasmaler Thomas Kuzio, dessen Fenster von den Derix Glasstudios in Taunusstein realisiert und Anfang 2015 eingeweiht wurden.

Mit dem Betreten des Kirchenraums wird der Blick durch das flammende Rot des gegenüberliegenden Chorfensters angezogen. Tritt man näher, ist eine aufsteigende Bewegung erkennbar: Sie beginnt in dunklem Rot links unten, driftet in einem hellen, breiter werdenden Band nach rechts, um sich im oberen Teil des Rundbogenfensters in einen Lichtkegel einzufügen. Gelbe und braune Töne lassen dieses energiegeladene, feurige Rund glühen. Betritt man den Chorraum, um die Glasmalerei von der Nähe zu sehen, wird ihre eminente malerische Differenziertheit offenbar; diese wird durch die drei breiten, das Fenster stabilisierenden horizontalen Verstrebungen und durch ein schmales schwarzes, die Bildfläche strukturierendes Gitter noch verstärkt. Die beiden vom Chorraum fast unsichtbaren Rundbogenfenster rechts und links vom zentralen Chorfenster hingegen sind von zurückhaltender Farbigkeit und verzichten auf jeden expressiven Gestus.

Der Schöpfer der drei Fenster, der 1956 in Altentreptow in Mecklenburg-Vorpommern geborene Thomas Kuzio, hat Malerei und Glasgestaltung an der Hochschule Burg Giebichenstein in Halle studiert und eine Lehre als Glasapparatebläser in Bitterfeld absolviert. In ihrem Vorwort stellt Barbara Schock-Werner, die ehemalige Dombaumeisterin von Köln, heraus, dass sich der Künstler ganz auf die Eigenart des jeweiligen Kirchenraums und die vorgegebenen Fensteröffnungen einlässt, um im intensiven Gespräch mit der Gemeinde eine ortsgebundene Lösung zu finden. 

In einem konzentrierten Beitrag arbeitet Holger Brülls, Konservator in Halle und ausgewiesener Kenner moderner Glasmalerei, allgemeine Merkmale der architekturbezogenen Glaskunst Thomas Kuzios heraus (6-20). Dessen Kirchenfenster sind zumeist abstrakt und legen durch die Verwendung von Erdtönen landschaftliche Assoziationen nahe. Anders verhält es sich in Seckbach, wenn der Künstler in seinem Grußwort zur Einweihung schreibt: „Das Thema des Chorfensters ist die Auferstehung.“ Der Rezensent übrigens hat mit dem feurigen Rot den brennenden und doch nicht verbrennenden Dornbusch von Ex 3 assoziiert. – Offensichtlich sind die malerischen Qualitäten von Kuzios Arbeiten, wobei er Echtantikglas verwendet und es mit Schwarzlot, Emaille- und Schmelzfarben bearbeitet. Charakteristisch ist darüber hinaus das grafische Gerüst der Bleirute mit der Folge eines „kontrapunktischen Miteinanders von koloristischer und linearer Komposition“ (13). Diese enge Verbindung mit der traditionellen Glasmalerei hält den Glasmaler indes nicht davon ab, bereits bei der Bildfindung – und nicht erst bei der Umsetzung im Glasstudio – die Möglichkeiten digitaler Programme zu nutzen.

Der zweite Teil des Buches (21-67) dokumentiert und beschreibt zwischen 2010 und 2015 realisierte oder projektierte Arbeiten, viele in den neuen Bundesländern (Freyburg, Grimmen, Mansfeld, Merseburg, Naumburg, Radegast und Thalheim), zunehmend auch im Westen (Frankfurt, Hannover, Mönchengladbach-Rheydt). Wer sich für die zeitgenössische architekturgebundene Glasmalerei in Deutschland interessiert, dem kann das reich bebilderte, mit vielen Detailaufnahme versehene und zudem preisgünstige Buch von Holger Brülls ausdrücklich empfohlen werden.

Halle: Landesheimatbund Sachsen-Anhalt e.V. 2016
72 Seiten m. farb. Abb.
10,00 €
ISBN 978-3-00-053856-8

 

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