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Jan Loffeld: Wenn nichts fehlt, wo Gott fehlt. Das Christentum vor der religiösen Indifferenz
Bereits der einem Oxymoron ähnliche Titel erzeugt Aufmerksamkeit und unterbricht ein flüchtiges Überfliegen des Titels: „Wenn nichts fehlt, wo Gott fehlt.“ War die Pastoral bis vor wenigen Jahren noch der Meinung, dass etwas fehlen müsse, wenn Gott im Leben von Menschen keine Rolle spielt, und dass es die missionarische Aufgabe der Kirche sei, die Menschen für diese Leerstelle zu sensibilisieren, so zeigt das Buch von Jan Loffeld einmal mehr, dass es einer deutlichen Haltungsänderung bedarf. Mit einer bislang kaum ernsthaft beachteten Option schließt Loffeld, Professor für praktische Theologie an der Tilburg University School of Catholic Theology in Utrecht, gut an seine Habilitationsschrift des nicht notwendigen Gottes (2020) an, indem er „die ,säkulare Option‘ des Apa-Theismus“ (34) ins Gespräch bringt. Diese bezeichnet einen der drei Subtypen innerhalb der Gruppe der Säkularen, der auch in der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung von 2022 unter der Bezeichnung „Indifferente“ explizit benannt wird. Der Apatheismus als „völlige existentielle Unberührtheit von religiösen Fragen“ (36) ist ein Phänomen, das, so Loffeld, für die Theologie eine Herausforderung bedeute und auf das sie wenig vorbereitet sei. Vor diesem Hintergrund macht Loffeld auf knapp 190 Seiten ein Angebot zur Reflexion der pastoralen Praxis. Dies geschieht nicht im luftleeren Raum. Vielmehr bietet er den Lesenden eine solide Basis, indem er wissenschaftliche Erkenntnisse für die Praxis gut verständlich aufbereitet, erläutert und schließlich offene Gedanken, Praxisbeispiele und Perspektiven als Gesprächsräume anbietet.
Loffeld gliedert seine Gedanken in vier große Einheiten mit Schlussteil. In einem ersten Schritt stellt er in Auszügen die aktuelle innerkirchliche Debatte in Bezug auf die Themen Kirchenkrise und Säkularisierung vor und benennt im Zuge dessen einige oft vertretene Paradigmen, die entgegen dem aktuellen Relevanzverlust aufrechterhalten werden, wie etwa Bekehrungs- oder Optimierungsimperative. In einem zweiten Teil werden einige der gängigen Instrumentarien gegen den Relevanzverlust der Kirchen aufgezeigt und vor dem Hintergrund aktueller soziologischer Erkenntnisse besprochen. Dabei merkt Loffeld u.a. an, dass viele pastorale Angebote, die „vom Sender her denken, den Anschluss an große Teile unserer kulturellen und gesellschaftlichen Wirklichkeit verloren [haben]“ (76). Der dritte Teil widmet sich explizit der Beobachtung, dass die christliche Botschaft vielfach scheinbar nicht mehr „gebraucht“ wird, um ein irdisches Leben in Fülle und Freude führen zu können. Loffeld stellt in diesem Zusammenhang auch die Frage nach der Nicht-Notwendigkeit Gottes. In einem vierten Teil bringt der Autor einige Perspektiven ein, die zur interdisziplinären Diskussion einladen. So erwähnt er etwa das Resonanzkonzept des Soziologen Hartmut Rosa oder die Option des Ana-Theismus Richard Kearneys. Die vielfältigen Reflexionen münden schließlich in einen kurzen, offenen Blick in die Weiten der deutschen Kirchenlandschaft, wodurch die Lesenden eingeladen werden, eigene Perspektiven zu entfalten.
„Wenn nichts fehlt, wo Gott fehlt. Das Christentum vor der religiösen Indifferenz“ ist ein lesenswertes Statement, das um seine Vorläufigkeit und Unabgeschlossenheit weiß und nicht zuletzt aus diesem Grund auf die persönliche Weiterentwicklung der Thesen mit dem angebotenen Perspektivwechsel Lust macht. Alle Kritik an bestehenden Konzepten ist dabei spürbar von der Überzeugung getragen, dass das „Christentum […] zweifelsohne eine Zukunft [hat].“
Freiburg: Herder Verlag. 2024
192 Seiten
22,00 €
ISBN 978-3-451-39569-7